Difference between revisions of "Kino no Tabi Band 1 : Kapitel 5"

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KNT V01 TOC C05.jpg


Land der Erwachsenen -Natürliche Rechte-

Ich war elf Jahre alt, als ich Kino traf. Ich lebte damals immer noch in dem Land, in dem ich geboren worden war.


Um ehrlich zu sein, ich weiß nichtmal mehr, wie ich damals hieß.


Ich erinnere mich, vage, dass es der Name einer Blume war, aber dass, wenn man ihn ein bisschen anders aussprach, aus ihm eine furchtbare Beleidigung wurde. Die anderen Kinder haben sich deshalb oft über mich lustig gemacht.


=

Kino, der Reisende, betrat mein Land zu Fuß. Er war hoch gewachsen, dünn.


Der junge Soldat, der das Tor bewachte, war sich unsicher, ob er ihn reinlassen sollte, und fragte seinem Vorgesetzten.


Bevor man ihn reinließ, besprühte man ihn mit einem weißen, Insektenschutzmittel, dass in seinen Haaren hängen blieb.


Die ganze Zeit über, von dem Moment an, als er beim Tor war, bis zu dem Moment, als er auf mich zuging, ließ ich ihn nicht aus den Augen.


Der Sonnenuntergang hatte bereits begonnen, und Kino's Schatten reichte bis zu meinen Füßen und darüber hinaus.


Er trug Schuhe,wie ich sie noch nie gesehen hatte.

Seine Beine waren dünn, wie der Rest seines Körpers.

Er trug eine schwarze Jacke und einen langen, braunen, dreckigen Mantel, als hätte er ihn gerade vom Boden aufgehoben.

Sein einziges Gepäck war eine große, abgenutzte Tasche, die er über der Schulter trug.


Er war wirklich groß. Obwohl ich damals die Größte unter meinen Freunden war, beugte er sich leicht nach unten, um mit mir zu reden.


"Hallo, kleines Fräulein. Einen schönen Tag wünsch' ich dir."


Seine Wangen waren eingefallen, sein Haar kurz und zerzaust. Das Insektenschutzmittel war immer noch sichtbar.


"Ich heiße Kino. Ich reise von Ort zu Ort. Was ist dein Name?"


"Kino", kurz und einfach zu sagen, war ein schöner Name, dachte ich. Zumindest besser, als wie irgendeine Blume zu heißen. Wie auch immer, ich sagte ihm, wie ich hieß.


"Ein schöner Name. Übrigens, ××××× (mein Name). Gibt es in dieser Stadt ein Hotel? Ein Günstiges, mit einer Dusche wäre am besten. Ich bin zu erschöpft, um lange nach einem zu suchen."


"Klingt wie unser's."


Kino lächelte. Zu der Zeit betrieben meine Eltern ein billiges Hotel.


Also führte ich Kino nach Hause.


Als Vater Kino das erste Mal sah, war er nicht sehr begeistert von ihm. Dieser Ausdruck aber sofort, und machte einem Lächeln Platz, als er den Tresen verließ um dem neuen Gast auf sein Zimmer zu führen. Kino, seine große Tasche unter den Arm geklemmt, bedankte sich bei mir und ging nach oben.


Ich ging in mein eigenes Zimmer. An der Wand war ein großes Blatt Papier.

Auf ihm standen die Worte [NOCH 3 TAGE] in großen roten Buchstaben.






=

KinoNoTabi-Volume-1-Chapter-5-Title.jpg




















Ich erinnere mich, dass ich am nächsten Tag um Mittags aufwachte.


Niemand, nichtmal mein Vater oder meine Mutter, hatte mich aufgeweckt.

Schließlich war es meine "letzte Woche".


Auf dem Blatt Papier an der Wand stand jetzt [NOCH 2 TAGE]. Ich wusch mein Gesicht am Waschbecken.


Ich hörte ein Geräusch von draußen, und gin in den hinteren Garten.


Da war ein Haufen voll mit Schrott, bestehend aus nutzlosen, alten und ausrangierten Maschinen. Ich erinnere mich, wie ich früher da spielen hatte. Da der Schrotthaufen die Sonne verdeckte, wurde es dort schnell dunkel.


Vor diesem Schrotthaufen war Kino, gebückt, auf irgendetwas hämmernd. Eine Felge.


Keine von der dicken Sorte, wie sie an Autos montiert war, sondern eine dünne, von einem Motorad (Anmerkung: Zwei-rädriges Fahrzeug. Kann nicht fliegen). So ein Motorad lag auch vor Kino.


Kino bemerkte mich, und sagte,


"Oh. Guten Morgen, ×××××."


Kino's Haar war völlig zerzaust, ich fragte ihn,


"Was machst du da?"


"Ich heile das Motorad. Eigentlich wollte ich es jemanden abkaufen, aber die Person hat es mir einfach so überlassen. Das Motorrad ist kaputt, und sie braucht es nicht mehr, hat sie gesagt."


"Du meinst, du reparierst es?"


"Ich heile es."


Kino lächelte, während er es sagte, und fügte hinzu, dass es eine Weile dauern würde, weil so viel an dem Motorad kaputt war.


Als er mit der Felge fertig war, montierte er sie an's Motorad.


Kino reparierte mehr Teile, demontierte sie, hämmerte auf ihnen rum, zog an ihnen, knotete sie zusammen, und baute komplizierte Mechanismen aus kleineren Teilen zusammen.


Eine Weile sah ich ihm zu.


Dann bekam ich Hunger, ging zurück in's Haus und aß etwas alleine.

=

Nachdem ich gegesen hatte, ging ich wieder raus, um Kino zuzuschauen.


Das Motorad war etwa zur Hälfte "geheilt", konnte wieder gerade stehen.


"Es sieht genauso aus wie das Motorad, mit dem ich vor langer Zeit gereist bin."


Kino drehte sich zu mir um. Er polierte ein stabartiges Objekt.


"Wie lange brauchst du noch?"


Ich stellte die Frage ohne drüber nachzudenken.


"Lass mich überlegen... Ich würd sagen noch ein Tag, dann kann es sich wieder bewegen."


"Das Motorad wird sich bewegen?",


fragte ich Kino. Ich fand komisch, wie er das ausgedrückte.


"Also... technisch gesehen, nicht von alleine.

Jemand muss auf ihm fahren, einen Pakt schließen."


"Was für einen Pakt?"


Kino sah mich an, tätschelte das Motorad leicht, und sagte,


"In diesem Fall, ein Versprechen, einander zu helfen."


"Sich wie zu helfen?"


"Also schau mal, alleine, da bin ich viel langsamer als ein Motorad, richtig?"


Ich nickte. Schließlich war er so dünn, sah nicht besonder schnell aus.


"Und ein Motorad ist zwar schnell, aber wenn niemand auf ihnen sitztm, verlieren sie ihr Gleichgewicht und fallen um, richtig?"


"Mm-hmm."


"Also, wenn ich auf dem Motorad sitze, dann halte ich sein Gleichgewicht. Als Gegenleistung fährt das Motorad. Mit diesem Vertrag wird unsere Reise bequemer und macht mehr Spaß."


"Aha... also darum geht es bei dem Pakt."


"Genau. Also, wenn das Motorad aufwacht, dann werde ich es fragen "was hältst du davon?"."


"Das Motorad kann sprechen?"


"Klar kann es das.",


sagte Kino und zwinkerte.


=

Ich ging zurück auf mein Zimmer, machte eine Tasse Tee und brachte sie Kino. Er nippte dran und sagte der Tee wäre gut. Als er etwas weniger als die Hälfte getrunken hatte, fragte er,


"Wo wir gerade dabei sind, wie wäre es, wenn wir dem Motorad einen Namen geben? Igendwelche guten Ideen?"


"Wie hat dein alter Freund geheißen, Kino?"


"Hermes."


"Der ist gut."


"Echt? Ok, dann lass uns den nehmen."


Kino lächelte wieder. Damals, als ich sein Gesicht ansah, ich kann mich erinnern, da habe ich auch gelächelt.


=

Danach machte Kino sich wieder daran, das Motorad zu "heilen".


Nachdem ich eine Weile lang zugeschaut hatte fragte ich,


"Was arbeitest du, Kino?"


"Was meinst du, "Was arbeite ich"?"


Kino stellte eine Gegenfrage und arbeitete weiter.


"Du bist ein Erwachsener, oder?"


"Auf jeden Fall mehr als du, so viel ist sicher."


"Erwachsene müssen irgendwas arbeiten, oder?"


Kino sah etwas verwirrt aus, sei es auch nur ein bisschen-- so war mein Eindruck. Und mittlerweile verstehe ich, warum.


"Ah... Ja, das stimmt.


"Also was für eine Arbeit machst du?"


"Lass mich überlegen... Also wenn das gilt, dann ist meine Arbeit, "Reisen"."


"Wenn du Reisen sagst, meinst du, dass du an ganz viele verschiedene Orte gehst?"


"Jap."


"Magst du Reisen?"


"Ja. Manchmal ist es schwer, aber meistens macht es viel Spaß."


"Dann ist das keine Arbeit."


Kino hörte auf zu arbeiten und drehte sich um.


"Arbeit ist schwer. Sie soll keinen Spaß machen. Aber wir müssen sie machen, um zu überleben. Wenn Reisen dir Spaß macht, dann ist das keine Arbeit."


"Also ich weiß ja nicht...",


murmelte Kino und legte den Kopf schief.


"Deshalb bekomme ich morgen-- nein, Übermorgen! Deshalb bekomme ich übermorgen die Operation."


"Operation? Für was?"


"Um mich zu einem Erwachsenen zu machen. Deshalb ist das hier meine "letzte Woche".",


sagte ich, und Kino stelle die nächste Frage, "Und was heißt das? Wenn es dir nicht's ausmacht, bitte erzähl mir, was die Operation ist."


Erst jetzt wurde mir klar, dass Kino nicht wusste, was die "letzte Woche" war. Es war nicht überraschend, dachte ich, Kino war nicht von hier.


Obwohl es lange dauern würde, entschied ich mich, zu erklären, auch weil ich glaubte, dass Kino mir zuhören würde.


"Ich werd's dir erklären."


=

In meinem Land-- ich meine, in dem Land, in dem ich damals lebte-- war man erwachsen, wenn man älter als zwölf Jahre war. Alle darunter waren als Kinder. Erwachsen war jeder, der arbeitete.


Die Erwachsenen sagten den Kindern Sachen wie:


"Ihr Kinder könnt machen, was immer ihr wollt. Und das ist ok, weil ihr Kinder seid. Aber für uns Erwachsenen, machen, was wir wollen ist nie ok, keine Ausnahmen. Wir haben Berufe, wir müssen arbeiten. Wir müssen arbeiten, um zu leben; es ist das wichtigste im ganzen Leben. Man muss seine Arbeit machen, und man muss sie ordentlich machen-- auch wenn man nicht will, auch wenn man denkt, dass man etwas Schlimmes tut. Es geht hier um's Geschäft,",


und dann sagten sie immer,


"Aber macht euch keine Sorgen. Wenn ihr zwölf werdet, bekommt ihr von uns eine Operation. Wir öffnen euren Kopf und nehmen das Kind aus euch raus. Dann werdet ihr über Nacht zu perfekten Erwachsenen. Dann könnt ihr alles machen, was ihr machen müsst-- auch, wenn ihr es nicht wollt. Also, keine Sorge; jeder einzelne von euch kann ein ordentlicher, hart arbeitender Erwachsener werden. Und dann müssen sich eure Eltern keine Sorgen mehr machen."


Eine Woche vor der Operation, eine Woche vor seinem Geburtstag, begann für ein Kind die "letzte Woche". Niemand durfte während dieser Woche mit dem Kind sprechen. Und so verbrachten alle Kinder ihre letzte Woche allein, ungestört von allen Ablenkungen.


Warum es diese Regel gab, hat mir niemals jemand erklärt.


=

Als ich fertig war, mit meiner holprigen Erklärung, sagte Kino,


"Darum geht es also... wie grausam."


"Häh? Wieso denn grausam? Nur wegen der Operation kann jedes Kind ein guter Erwachsener werden, oder?"


Damals war ich ehrlich verwirrt. Ich dachte, wenn wir nicht die Operation erhielten, um uns zu guten Erwachsenen zu machen, was würde dann aus uns werden?


"Ich weiß nicht, was ein "guter" Erwachsener sein soll. Ist es "gut" für einen Erwachsenen, Sachen zu tun, die man nicht möchte? Einfach immer weiter Dinge zu tun die man hasst-- soll das das Leben schön machen? Und dass man durch die Operation gezwungen wird, das zu tun... ich verstehe nicht."


Ich musste einfach fragen:


"Kino, vorhin hast du gesagt du wärst erwachsener als ich, richtig? Also bist du ein Erwachsener?"


"Nicht wirklich. Wenn wir deine Definition von Erwachsen benutzen, ganz bestimmt nicht."


"Also bist du ein Kind?"


"Nicht wirklich. Wenn wir deine Definition von Kind benutzen, ich schätze bin ich keins."


Kein Erwachsener, aber auch kein Kind? Ich verstand nicht wirklich.


"Was bist du dann, Kino?"


"Ich? Ich bin Kino. Ein Typ genannt Kino. Ich glaube, das ist es. Oh, und ich reise."


"Du tust, was du tun willst?"


"Jap. Ich mag es, zu reisen, also reise ich. Davon kann man natürlich nicht leben, also verkaufe ich medizinische Pflanzen und andere Dinge, die ich unterwegs finde. Ich schätze, das zählt als Beruf. Aber, fundamental, da reise ich-- ich tue Dinge, die ich mag und die ich tun will."


"Machen, was du willst..."


Ich war sehr neidisch.


Bis dahin hatte ich geglaubt, dass Kinder absolut die Operation bekommen sollten, um gute Erwachsene zu werden. Ich hatte geglaubt, dass sich Dinge auszusuchen, die man mochte, die man nicht mochte, etwas für Kinder war.


Für mich war diese Zeit bald zu Ende.


"Was magst du am liebsten?",


fragte Kino, und ich antwortete sofort,


"Ich mag Singen!"


Kino lächelte.


"Ich mag Singen auch. Ich singe oft, wenn ich unterwegs bin."


Kino begann zu singen.


Ich verstand zwar nicht den Text des Liedes, es war zu schnell, aber ich verstand, dass Kino kein guter Sänger war. Als er fertig war, sagte er,


"Ziemlich übel, oder?"


"Jup. Sehr."


Ich stimmte ihm voll zu. Kino gluckste, und sagte,


"Mir macht es trotzdem Spaß, auch wenn ich nie besser werde. "


Ich verstand ihn gut. Manchmal, wenn ich alleine war, und es niemand hören konnte, sang ich auch, nur für mich selbst.


Ich fing an, ein Lied zu singen, dass ich mochte. Es fing langsam an, und wurde dann gleichmäßig schneller. Ich singe dieses Lied immer noch.


Als ich fertig war, fing Kino an zu applaudieren.


"Du bist echt gut! Das hat mich jetzt echt überrascht. Du bist die beste Sängerin, die ich je getroffen hab.'"


Ich, verlegen, bedankte mich bei ihm.


"Du magst Singen, du bist gut im Singen, warum wirst du nicht Sängerin als Beruf?",


schlug Kino vor, und ich antwortete,


"Ich kann keine Sängerin werden."


"Warum nicht?"


"Weil meine Eltern keine Sänger sind."


"......"


"Eltern bekommen Kinder, damit die ihre Berufe fortführen können, oder? So war es schon immer.


In diesem Land war es üblich, dass die Kinder die Berufe ihrer Eltern übernahmen, wenn sie Erwachsene wurden.


"Aha... also so funktioniert das hier."


murmelte Kino, Bedauern in seiner Stimme, und er drehte sich wieder um, konzentrierte sich auf die "Heilung" des Motorrads.


Ich ging zurück auf mein Zimmer.


=

In dieser Nacht lag ich wach, dachte nach.


Ich hatte immer geglaubt, dass es das beste wäre, die Operation zu bekommen und ein "guter" Erwachsener zu werden. Aber jetzt, jetzt kam mir das alles so unnatürlich vor-- nicht machen zu dürfen, was man mochte, nicht einmal sagen zu dürfen, dass man hasste, was man tat, und so für den Rest seines Lebens zu bleiben. Es war genauso, wie Kino gesagt hatte.


Ich dachte nach.


Und dann, schlussendlich, fasste ich einen Entschluss.


Ich wollte nicht für immer ein Kind bleiben, aber wenn ich ein Erwachsener werden musste, dann wollte ich es allein werden. Nicht gezwungen werden, durch die Operation, wie all die anderen-- auch wenn ich damit jeglichen Zeitplan zerstören würde-- sondern aus eigener Kraft. Ein Erwachsener, den ich wirklich gut finden würde, durch einen Weg, den ich in Ordnung fand. Und ich wollte einen Beruf ausüben, den ich mochte, oder einen, in dem ich gut war, oder sogar beides gleichzeitig.


=

Der nächste Morgen...


Als ich aufwachte, stand auf dem Blatt Papier an der Wand [LETZTER TAG].

Ich ging runter zu meinen Eltern. Sie durften nicht von sich aus mit mir reden, aber es war ok, wenn ich das Gespräch selbst begann.


Ich erinnerte mich an alles, über dass ich Nachts nachgedacht hatte, und sagte,


"Ich will die Operation nicht haben, um erwachsen zu werden. Gibt es einen anderen Weg? Einen Weg, durch den ich erwachsen werden kann, ohne zu verlieren, wer ich bin?"


Und plötzlich hatte ich es gesagt.


Diese Worte sollten mein Schicksal verändern... und das von Kino.


Meine Eltern sahen aus, als wären ihre Albträume war geworden. Mein Vater fing plötzlich an zu schreien,


"Du Dummkopf! Ist dir überhaupt klar, was du da sagst!? Du böses Kind! D-- Du-- Machst du dich über uns lustig, weil wir die Operation hatten und zu großartigen Erwachsenen wurden!? Willst du uns lächerlich machen!? Willst du für immer eine dummer Göre bleiben, nie erwachsen werden!?"


Wie die Melodie, die an ein anderes Instrument abgegeben wurde, setzte meine Mutter nach, ihre Stimme wir eine Peitsche,


"Entschuldige dich, ×××××! Sag, dass es dir leid tut! Jetzt! Entschuldige dich! Sag deinem Vater, dass es dir leid tut, sag es allen Erwachsenen in diesem Land. Flehe sie an, dass sie dir deine Dummheit vergeben mögen! Sage, dass du falsch lagst! Dass du es nie wieder sagen wirst! Jetzt!"


Wenn ich jetzt drüber nachdenken, sie waren komplett hysterisch.


Für sie war es eine sehr ernste Sache, so ernst, dass sie es nicht einfach als den Nonsense eines Kindes abtun konnten. Sie hatten die Operation bekommen, 'jeder hatte die Operation bekommen, also hatten sie sich selber überzeugt, dass es etwas Wunderbares war. Ein Selbstschutzmechanismus, schätze ich.


Nicht, dass ich in einer Position war, sowas zu sagen, ich hatte die Operation ja noch nicht bekommen.


"Warum würdest du plötzlich so zu reden anfangen? Von wen hast du diese unmenschlichen Ideen!?"


Mein Vater hörte nicht auf zu schreien, als wäre er wahnsinnig geworden.


Damals war ich so geschockt, ich hatte nicht einmal vor, zu antworten. Aber, so dachte ich, wenn er ruhig nachdenken würden, wie ein Erwachsener es sollte, würde ihm bald klarwerden, dass es Kino gewesen war.


Mehrere Erwachsene hatten den Auffuhr gehört und begannen, sich um uns zu versammeln.


"Gibt es ein Problem?"


"Was ist los?"


"Ihr seid alle so laut..."


Die Erwachsenen sprachen zu meinen Eltern in einem vorwurfsvollen Tonfall, sagten ihnen, dass es für Erwachsen nicht akzeptabel sei, sich so zu verhalten. Mein Vater sprach,


"Verzeihung! Die Wahrheit ist, meine törichte Tochter hat plötzlich angefangen, diese furchtbaren Dinge zu sagen-- dass sie sich morgen nicht der Operation unterziehen möchte..."


Und die Erwachsenen, als hätten sie nur auf das Signal gewartet,


"Was? Lächerlich! Ihr habt euer Kind falsch erzogen! Das ist eure Schuld!"


"So ist es! Erwachsen werden ohne die Operation... Blasphemie!"


"Für was hältst du unsere großartige Operation!? Du magst noch ein Kind sein, aber manche Sachen sind einfach unverzeihlich!"


Sie begannen alle zu schreien, als wäre etwas in ihrem Inneren kaputt gegangen.


"W-- wir bitten um Verzeihung. Es ist unsere Schuld, wir haben sie nicht richtig erzogen..."


Meine Eltern entschuldigten sich ausführlich vor dem Mob, und drehten sich wieder zu mir um.


"Du hast Schande über uns gebracht, indem du diese dummen Sachen gesagt hast! ...Ah! Es war dieser widerliche Reisende! Er hat deinen Geist mit diesen Ideen vergiftet!"


Mein Vater hatte es endlich begriffen, schleifte mich grob hinter ihm her, auf der Suche nach Kino.


Kino war am Eingang. Neben ihm stand das Motorad, glänzend, als hätte er es gerade neu gekauft, dasselbe Motorad, dass vor zwei Tagen nur ein Haufen Schrott gewesen war. Kino's übergroße Tasche war fest auf den Rücksitz geschnallt, vibrierte im Rythmus mit dem laufendem Motor. Das Hinterrad berührte den Boden nicht, sondern drehte sich in der Luft. Auf dem vorderen Sitz ausgebreitet war Kino's brauner Mantel, etwas weniger schmutzig als drei Tage zuvor.


Mein Vater schrie,


"Hey, du da! Du wiederlicher reisender Bastard!"


Als hätte er es kommen sehen, ignorierte Kino die Beleidigungen, und meinen Vater als solches gleich mit. Der bekam einen Wutanfall, sprang auf der Stelle und brüllte unverständlich, wie ein bellender Hund.


Kino sah in meine Richtung und sagte, leise,


"Das wird aus den Leuten hier? Vielleicht solltest du das mit der Operation nochmal überdenken."


Er zwinkerte, und ich musste kichern. Mein Kopf war wieder klar, die Situation wirkte gar nicht mehr so schlimm.


"Du! DU!"


Mein Vater zeigte auf Kino, Spucke und Schaum flog ihm aus dem Mund, während er weiter schrie. Endlich sah ihn Kino an und fragte, "Worum geht es?"


"Komm mir bloß nicht damit! Auf die Knie, jetzt! Und entschuldige dich... bei mir, bei meiner Frau, bei allen in diesem Land... Ich sage, du sollst dich entschludigen, jetzt!"


"Mich entschuldigen? Wofür?"


Kino blieb ruhig, und als Antwort brüllte mein Vater wieder unverständlich. Sein Kopf war rot, es schüttelte ihm am ganzen Körper. Ich sah ihn an, einen "guten Erwachsenen"."


Um ehrlich zu sein, er sah genau so aus wie ich, wenn ich mich wieder mit meinen Freuden gestritten hatte, über etwas vollkommen unwichtiges eigentlich, aber trotzdem so wütend, verheult, schreiend.


Mein Vater machte sich bereit, mehr zu schreien, zu brüllen, zu stampfen, aber dann,


"Also wirklich, ich muss sie bitten, damit aufzuhören."


sprach jemand zu meinem Vater. Dieser Jemand war ein hohes Tier in dem Land.


Damals wusste ich nicht, was der offizielle Titel der Person war, er war so schwer im Kopf zu behalten, aber sie arbeitete für die Regierung, so viel war sicher. Sie war nur eine von den vielen Menschen, die sich schon wieder um uns versammelt hatten, und begann jetzt, zu Kino zu sprechen.


"Lieber Reisender, es ist doch so: Jedes Land, ja, jeder Haushalt-- sie alle haben ihre eigenen Regeln. Das verstehen sie doch, oder nicht?"


Kino antwortete,


"Ja, das verstehe ich."


"Dieses Land ist keine Ausnahme, auch hier haben wir unsere eigenen Regeln. Und als Besucher, da sollte man diese Regeln repektieren, hab' ich Recht?"


Kino zuckte mit den Schultern und sagte,


"Also, ja, sie haben Recht."


Er sah sich um.


"Ich wollte sowieso gerade aufbrechen. Ich hab das Gefühl, wenn ich noch länger hierbleibe, werd' ich noch umgebracht."


Er machte offenbar einen Witz.


"Gibt es irgendwelche Prozeduren, die ich durchlaufen muss, bevor ich gehen darf?"


Der Beamte verneinte, und sagte,


"Wenn sie da lang fahren, erreichen sie das Tor, es ist offen. So können sie das Land verlassen. Wie dem auch sei, umgebracht zu werden ist ein sehr unwahrscheinliches Szenario, schließlich sind sie ordentlich und legal in unser Land gekommen. Bis sie durch das Tor gefahren sind, garantierten wir ihre Sicherheit. Schließlich ist dies das Land der Erwachsenen."


Der Beamte zeigte in die Richtung hinter dem Motorad, wo das Tor war.


Kino drehte sich zu mir um, bückte sich, sah mir in die Augen und sagte,


"Tschüss, ×××××."


"Du fährst schon wieder?",


fragte ich, warum konnte er nicht noch ein oder zwei Tage bleiben? Falls ich die Operation jetzt doch bekam, wollte ich herausfinden, wie es wäre, danach mit ihm zu reden. Ich wollte wissen, wie ich mich ihm gegenüber verhalten würde, nachdem ich erwachsen geworden war.


Aber Kino sagte,


"Es ist meine Regel, immer nur drei Tage in einem Land zu bleiben. So kann ich fast alles über ein Land lernen, was es zu wissen gibt, und wenn ich länger bleiben würde, könnte ich nicht so viele andere Länder besuchen... Also tschüss. Pass auf dich auf."


Ich winkte ihm zu, und Kino bestieg das Motorrad. Aber dann ging mein Vater plötzlich auf mich zu, in seiner Hand ein langes, dünnes, Küchenmesser. Meine Mutter stand neben ihm. Kino drehte sich um.


Mein Vater sah den Beamten an, der nickte.


Ich hatte keine Ahnung, warum mein Vater ein Küchenmesser nach draußen bringen würde.

Ich fand den Anblick ziemlich komisch.


Kino fragte den Beamten,


"Warum hat dieser Mann ein Küchenmesser?"


Der Beamte, im selben ruhigen, geschäftsmäßigen Ton wie zuvor, sagte etwas wirklich Lächerliches:


"Lasst es mich ihnen erklären, da sie es nicht wissen können: Mit dem Küchenmesser wird dieser Mann seine Tocher entsorgen."


Farbe wich aus Kino's Gesicht. Ich verstand nicht sofort, was passierte, hörte nur Kino's überraschte Stimme,


"Bitte was?"


"Wie ich schon sagte, Entsorgen. Das Mädchen hat unsere großartige Operation abgelehnt, und sich gegen ihre Eltern gestellt-- sie hat nicht denen gehorcht, die über ihr stehen. Wir können solche Kinder nicht einfach bleiben lassen. Kinder sind, immer und überall, das Eigentum ihrer Eltern. Eltern erschaffen das Kind, und wenn es als Mensch scheitert, dann ist es ihr gutes Recht, es zu entsorgen."


Ich begriff, dass ich sterben würde. Aber obwohl ich es wusste, und obwohl ich nicht sterben wollte, es gab nichts, dass ich tun konnte. Ich schaute hoch, und sah meinen Vater, wie er mich mit Abscheu anblickte,


"Fehlschlag...",


stieß er hervor.


"Lieber Reisende. Hier ist es gefährlich. Bitte gehen sie zur Seite."


Mein Vater schwang das Messer und rannte auf mich zu. Die Klinge glänzte silbern. Wie schön, dachte ich.


Kino stürzte von der Seite herein und versuchte, meinen Vater zurückzuhalten.


In dem Moment wurde die Welt ganz still. Die Zeit schlich nur noch vorwärts, langsamer als gewöhnlich. Ich wusste, dass mich dass Messer erreichen würde, bevor Kino meinen Vater aufhalten konnte.


Danke. Aber du wirst es nicht schaffen.


Die Zeit schlich weiter vorwärts, in der stillen Welt. Das Messer hatte mich fast erreicht, als mein Vater es plötzlich nach links abrehte. Die Klinge drehte sich von einer vertikalen Position in eine horizontale. Kino traf auf meinen Vater, und das Messer traf auf ihn, druchbohrte Kino's Brustkorb.


"GAH--!"


Und plötzlich waren die Geräusche wieder da, ich hörte Kino schreien. Er lehnte gegen meinen Vater, klammerte sich an ihn, die Spitze des Küchenmessers schaute aus seinem Rücken.


Kino fiel um, Gesicht voraus, auf den Boden, das Messer noch immer in der Brust. Er lag still, und ich wusste, ich wusste ganz sicher, er war tot.


Nicht in der Lage zu denken, nahm ich ein paar Schritte zurück, weg von Kino, weg von meinem Vater, und stieß gegen das Motorrad.


Eine Weile lang war alles wieder still. Dann, mein Vater...


"Heh heh..."


Er lachte. Und dann sagte er,


"Oh-oh? Diese Person ist zwischen uns gekommen, und das Messer, dass die Göre umbringen sollte, hat stattdessen ihn erwischt.

Wie verfahren wir mit diesem Vorfall?"


Ich wusste ganz genau, dass er log. Er gab sich nicht einmal Mühe. Ich bin mir sicher, die Erwachsenen wussten es auch.


Der Beamte sagte,


"Mm-hmm. Der Reisende ist so plötzlich gesprungen, Ich würde sagen, es hätte nicht verhindert werden können. Es ist ja nicht so, als wäre es ihre Absicht gewesen, ihn umzubringen-- dies war ein Unfall, ein sehr unglücklicher Unfall. Ist es nicht so?"


Die Erwachsenen um uns herum waren alle der gleichen Meinung, plapperten, "So ist es." "Ganz offensichtlich." "Wie schade um ihn."


"Ja--! Natürlich!",


sagte mein Vater, freudig und erleichtert.


Obwohl ich wusste, das ich bald sterben würde, war ich trotzdem froh. Wenigstens würde ich nicht die Operation bekommen, die all diese "guten" Erwachsenen hatten erleiden müssen.


Vor meinen Augen sah ich, wie mein Vater versuchte, dass Messer aus Kino-- aus Kino's Leichnam zu ziehen. Aber es kam nicht raus, also versuchte meine Mutter, ihm zu helfen. Der Griff war blutbeschmiert, also wickelten sie ihn in ein Stück Stoff und zogen, Hau... RUCK! Hau... RUCK!


Wenn ich jetzt drüber nachdenke, kommt es mir vor, als wäre diese Zeitverzögerung Kino's letztes Geschenk an mich.


Während meine Eltern daran arbeiteten, dass Messer wieder zu bekommen, hörte ich hinter mir eine kleine Stimme. Sie klang wie die eines kleinen Jungen.


"Schon mal auf 'nem Fahrad gesessen?"


Ich flüsterte zurück,


"Hab ich."


Dann:


"Wenn du hierbleibst, wirst du sterben, oder?"


Ich antwortete,


"Ja. Aber ich würde lieber sterben als, die Operation zu bekommen. Ist sowieso das Gleiche."


Hau... RUCK! Hau... RUCK! Hau... RUCK!


Mittlerweile war etwa die Hälfte des Messers wieder draußen.


"Hm~m... Also, willst du sterben?"


Die Frage konnte ich ehrlich beantworten:


"Lieber nicht, wenn ich es mir aussuchen darf."


"Dann,",


sagte die kleine Stimme,


"Wie wär's mit 'ner dritten Option?"


"Was ist die?"


Hau... RUCK!


Fast das ganze Messer war draußen. Aber ich fühlte mich komplett ruhig, versuchte Nichts von den komplizierten Sachen zu verpassen, die die kleine Stimme jetzt sagte,


"Zuerst, spring auf das Motorrad hinter dir. Greif den Lenker mit beiden Händen und halt gut fest. Dann dreh mit der rechten Hand nach hinten und lehn dich nach vorne. Dann stell dir einfach vor, du sitzt auf einem schnellen, schweren Fahrad."


SCHWNK!


Das Messer glitt aus Kino's Leiche, und meine Eltern fielen nach hinten. Ohh, die Erwachsenen schrien erschrocken auf und begannen ungezügelt zu Lachen. Einen Moment lang schoss Blut aus der Wunde wie aus eine Fontäne, dann stoppte es.


"Wenn ich das mache, was dann?",


fragte ich die Stimme, ich flüsterte nicht mehr. Die Erwachsenen, die in meiner Nähe standen, sahen mich an. Mein Vater hielt das blutige Messer in seiner blutigen Hand, sah mich an, lächelte. Ich fand den Zustand, in dem sich mein Vater befand, abscheulich, aber ich hatte keine Angst vor ihm.

Ich bin nicht wie er.


"Dann rennen wir weg!"


Die Stimme war jetzt lauter, laut und klar. Ich drehte mich um und sprang auf den Sitz des Motorrads, sah aus dem Augenwinkel, wie mein Vater auf mich zurannte.


Wie es mir die Stimme gesagt hatte, drehte ich den rechten Lenker und lehnte mich nach vorne.


BAMM, das Motorrad landete auf dem Boden. Gleichzeitig brüllte der Motor auf, BRUMM!, mein Körper wurde nach hinten geworfen.

Ich klammerte mich am Lenker fest, um nicht abgeworfen zu werden.


Die Menge der Erwachsenen fuhr auseinander, jeder machte mir Platz.


Erst jetzt wurde es mir klar, ich fuhr Motorrad. Ich lockerte den Griff um den Lenker leicht, wie als säße ich auf einem Fahrrad. Die Straße war flach, trotzdem wurde ich immer schneller, immer mehr, aber bald hatte ich mich an die Geschwindigkeit gewöhnt.


"Du bist gut dabei! Weiter so!"


Ich hörte die Stimme immer noch.


"Klammer dich an dem Tank mit deinen Oberschenkeln fest, dann sitzt du stabiler. Gleich musst du schalten, mach einfach, was ich sage."


Ich folgte den Anweisungen der Stimme. Plötzlich wurde der Gegenwind stärker, ich hatte Wasser in den Augen. Das Tor war jetzt in meinem Blickfeld und wurde sehr schnell größer. Ich hörte ein lautes woosh und war durch.


Außerhalb der Stadt war eine Wiese, eine riesige grasbewachsene Ebene, durch die ein einzelner Pfad aus fester Erde führte. Ich war noch nie draußen gewesen.


Der Wind stach in meine Augen, aber auch daran hatte ich mich bald gewöhnt.


Ich begann zu Schluchzen, erschöpft, hörte aber nicht auf zu fahren.


=

Ich weiß nichtmal mehr, wie lange ich fuhr.


"Hey, glaubst du nicht, wir sind weit genug?"


Die Stimme weckte mich aus meiner Trance.


"Mach, was ich sage."


Wieder folgte ich den Anweisungen der Stimme, fummelte an dem Motorrad herum, zog hier an einem Hebel mit der linken Hand und bewegte dort den rechten Fuß woanders hin, und tatsächlich bremste das Motorrad, wurde allmählich langsamer. Als es mir sicher schien, streckte ich die Beine, um mit den Füßen den Boden zu berühren.


Wäre ich auf einem Fahrrad gewesen, hätten meine Füße sanft auf dem Boden aufgesetzt und alles wäre ok gewesen, aber hier stießen sie plötzlich auf starken Widerstand, ich, zu überrascht um zu reagieren, begann nach links zu fallen.


"Uwah--!",


hörte ich die Stimme. Meine linke Hand, noch immer den Griff umklammernd, wurde mit nach unten gezogen, ich fiel zu Boden. Gleichzeitig hörte man ein "GACHUNK!".


"Oh, die Grausamkeit. Wer auf dieser Erde könnte etwas so Schreckliches tun?",


fragte die Stimme, scherzhaft, die Frage an mich gerichtet, aber ich lag auf dem Rücken und schaute nach oben, in den Himmel, den blauen, wolkenlosen Himmel, und antwortete nicht.


Dann stand ich auf. Ich sah mir an, wo ich war, inmitten eines Feldes, eines weiten Feldes aus roten Blumen, alle in voller Blüte.


Ich schaute in Richtung der Motorradspuren, die ich in dem Feld hinterlassen hatte. Das Land, in dem ich geboren worden war, war nicht mehr zu sehen.


"Kino...",


murmelte ich. Die Bilder von Kino's letztem Moment, dass Messer, sein totes Gesicht, blitzten vor meinen Augen auf... und verschwanden.


Ich fühlte mich nicht trauig. Merkwürdig.


Ich weinte nicht. Vielleicht waren meine Tränen vorläufig aufgebraucht.


Ich fühlte mich nicht verletzt, ich fühlte mich aber auch nicht glücklich. Ich stand einfach da, wie betäubt.


"'Tschuldige mal!"


Ich hörte die Stimme wieder, sie kam von nahe meinen Füßen. Ich sah runter, und sah das Motorrad, auf seiner Seite liegend.


"Du bist ziemlich gemein, weißt du?"


"Wie bitte?"


"Mir wär's lieb, wenn du mich sofort aufstellen würdest, bitte."


Erst jetzt wurde mir klar, dass die Stimme die ganze Zeit die des Motorrad gewesen war.


"Ah, du warst es also.",


sagte ich, und das Motorrad klang ein bisschen genervt, als es antwortete,


"Ah-hah, war das nicht offensichtlich? Hier ist niemand anderes, oder?"


"Stimmt. Sorry."


"Ich will keine Entschuldigung, ich will, dass du mich aufstellst."


Plötzlich verhielt sich das Motorrad wie ein verwöhntes Kind, und ich fand es ziemlich lustig.


Ich tat, was das Motorrad wollte, ging in die Knie, presste meinen Körper gegen den Sitz, und drückte mit all meiner Kraft nach oben.


Rote Blütenblätter verstreuten sich.


Dann setzte ich meinen Fuß in die Nähe des Hinterrads, drückte mit ihm gegen die Erde. Das Motorad begann sich langsam aufzurichten. Ich stützte es auf den Ständer, damit es nicht wieder umfiel.


"Danke."


Jetzt, wo es wieder stand, war das Motorrad wieder höflich.


"Keine Ursache."


"Das war echt gefährlich, was?",


Für einen Moment hatte ich keine Ahnung, wovon das Motorrad sprach. Dann erinnerte ich mich, die Erwachsenen, das Messer, dass das im Sonnenlich glänzte. Ich erinnerte mich, wie man sich an etwas von vor Jahren erinnert, etwas, was man fast schon vergessen hatte.


"Kannst du laut sagen... Danke dass du mich gerettet hast."


Das Motorrad antwortete,


"Dasselbe gilt für mich. Wer weiß, was mit mir passiert wäre, wären wir nich' geflohen. Du hast mich genauso gerettet, Kino."


Einen Moment lang dachte ich an "das Versprechen, einander zu helfen", aber dann fiel mir etwas Merkwürdiges auf an dem auf, wie das Motorrad mich angesprochen hatte, und ich fragte,


"Wie hast du mich gerade genannt?"


"Hm? Kino."


"Aber warum?"


"Als ich eben gefragt habe, wie du heißt, hast du Kino gesagt, oder nicht?"


"Ich—",


Ich wollte meinen echten Namen sagen, aber er kam mir nicht mehr "echt" vor.

Dieser Name. Der Name eines Kindes, dass sorglos vor sich hin lebte. Das glaubte, mit zwölf müsse man eine Operation bekommen, um ein guter Erwachsener zu werden.


Dieses Kind gab es nicht mehr, nicht in dieser Welt.


Und so machte ich einen Schritt vorwärts, auf das Motorrad zu, zertrampelte Blumen unter meinen Füßen,


"Ich bin... Kino. Ich heiße Kino. Schöner Name, oder nicht?"


"Ja, er gefällt mir. Also, was ist mit meinem Namen? Hast du einen?"


Ich erinnerte mich an den Namen, den wir uns überlegt hatten.


"Hermes. Du bist Hermes. So wie ein alter Freund von Kino."


"Hm~m, Hermes... Nicht schlecht, würd' ich sagen.",


sagte Hermes, und begann den Namen vor sich hin zu sagen, wieder und wieder, "Hermes... Hermes, huh...". Er gefiel ihm wohl. Dann fragte Hermes,


"Also, was jetzt?"


Wir standen da, inmitten eines Meers aus Rot.


Und ich wusste es nicht.


=

Nach 'ner Weile entschieden wir, ein nahe gelegenes Land anzusteuern, aber wir verirrten uns auf dem Weg dahin in einem Wald. Dort, völlig aus Zufall, begegneten wir einer bestimmten Person. Sie war schon alt, aber sie brachte uns viel bei. Wäre ich dieser Person nicht begegnet, wäre ich heute nicht, was ich bin, da bin ich mir sicher. Ich bin ihr wirklich dankbar, so sehr, dass ich es nicht in Worten ausdrücken kann.


Aber das ist eine andere Geschichte, für ein anderes Mal.

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