Kapitel 01 - Ein kleiner Raum

From Baka-Tsuki
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Du träumst schon wieder.

Teil 1 - Du

Yume Nikki 10.png



Kapitel 1: Ein kleiner Raum[edit]

Du stehst in einem kleinen Raum.
Ohne auch nur das kleinste Geräusch zu machen, in diesem düsteren, einsamen und kleinen Raum ……
Stehst du einfach da, geistesabwesend, so als müsstest du noch lernen dich zu bewegen.

Mit deinen kindlichen Zöpfen.
Mit deiner Kleidung, die die Farbe von ekelhaften Eingeweiden teilen.
Mit deinem Kopf gesenkt, sodass man kaum dein Gesicht sehen kann.

Du fängst an deine Fingerspitzen zu bewegen, ganz leicht, als würdest du zittern. Du drehst deinen Kopf, langsam vor Furcht. Du machst ein paar wackelige Schritte. Dann schaust du dich um. Wie ein Baby, das gerade erst geboren wurde.

Bald erkundest du den Raum um dich herum, und stärkst dein Selbstvertrauen.
Du näherst dich allem, was dir so ins Auge fällt, fühlst es, nährst ihm dein Gesicht, so als wolltest du den Geruch und den Geschmack davon ermitteln.
Es ist, als würdest du darauf warten, dass hier eine unglaublich lustige und interessante Geschichte ihren Lauf nimmt.
Als wärst du dir sicher, dass deine Aktionen eine Reaktion hervorrufen würden.

Aber obwohl du läufst, und dich umher bewegst, hast du keinerlei Einfluss auf deine Umgebung. Nichts ändert sich, als wäre es überhaupt nicht am Leben.

Ist das nicht, wie in einem Traum?
Ist das nicht so, als wäre er leer?

Du fängst an zu laufen, mit dem neuen Ziel, etwas zu finden, irgendeine Bestimmung. Du läufst und läufst …
Du siehst aus wie ein böser Geist, besessen von diesem kleinen Raum.

Schließlich triffst du auf eine Glastür, die dich hier rauszuführen scheint. Als du vor ihr stehst, blickst du verunsichert auf den Raum hinter dir zurück. Dann, nach leichtem zögern, legst du deine Hand auf die Oberfläche der Tür.
Únd du schreitest durch die leicht zu öffnende Glastür nach draußen.

Aber--

Dieser Ort ist auch leer.
Er ist nur ein enger Balkon, der dich wieder in den kleinen Raum zurückführt.
Hier ist nichts. Nicht einmal Pflanzen, auf denen ein Vogel seine Flügel ausruhen könnte. Er ist komplett verlassen. Tot.

Es gibt kaum Anzeichen, dass hier überhaupt jemand wohnte. Nur ein kleines Minimum: eine Wasserleitung, der äußere Teil der Lüftung, und ein leerer Blumentopf, als wäre der ehemalige Besitzer eines Nachts vor Furcht weggerannt, und hätte dabei alles zurückgelassen, ohne die Chance zu haben, etwas damit zu machen.

Du läufst zum Geländer, und schaust zurück in den kleinen Raum, in dem du dich gerade noch befandest. Ein hoher, aber schmaler Gebäudekomplex—oder zumindest scheint es so. Von wo du stehst ist seine Höhe nur schwer einzuschätzen, und es ist kein anderes Gebäude in Sicht. Genauer gesagt, ist gar nichts in der Nähe.

Eine dicke Wolke hängt am Himmel, nahezu undurchdringlich von den Strahlen des Mondes. Endlich scheinst du zu verstehen, dass das nicht “draußen” ist. „Draußen” soll hell und frei sein, eine Welt voller Dinge, auf die man sich freuen kann… Aber dieser Balkon sah aus, wie die psychische Landschaft, die man sich vorstellt, wenn man depressive ist. Die Wolken und das Geländer kreiren ein mysteriöses Gefühl der Hoffnungslosigkeit, als wäre alles von der Außenwelt abgekapselt, eingesperrt.

Eine erdrückende Neugier keimt in deinem Hals auf, und um davon weg zu kommen, rennst du wieder in den Raum.

Deine Augen sind halb geschlossen, als würdest du dir sorgen darum machen, ob dieser Raum eine Bedeutung hat oder nicht, oder einfach, als würde er dich langweilen.
Der Teppich hat ein seltsames, lebendiges Desing, wie Stücke von menschlichem Fleisch, die auseinandergenommen, und wieder zusammengesetzt worden sind. Du starrst auf das fröhliche Gesicht auf dem Teppich, das dich höhnisch anzugrinsen scheint, als würdest du erwarten, dass es ein Gespräch mit dir anfängt. Aber natürlich, nichts geschieht.

Alles ist voller Nichts.

Ein vollkommen altmodischer Röhrenfernseher. Eine Spielekonsole, die mit ihrem einen, sehr einfachen Spiel kaum dazu genutzt werden konnte, ein wenig Zeit zu vertreiben. Auf dem Boden verstreute Kissen, für die es jedoch keine Gäste gab, die darauf sitzen könnten. Ein Regal mit schön sortierten Büchern, genau auf deiner Höhe. Hast du sie selbst so angeordnet? Allerdings werden sie von einer Staubschicht bedeckt, und die Titel sind verbleicht, sodass sie unlesbar sind.

Ein Tagebuch auf einem einfachen Schreibtisch, der genauso Teil eines Verhörraums sein könnte.

Und dieses so faszinierend weiche Bett.

Du läufst in Richtung deines Betts, aber auf dem Weg dorthin, bemerkst du die Tür deines Zimmers. Deine Bewegungen werden schwerfälliger. Es ist, als hättest du vor etwas Angst. Voller Schwermut erreichst du die Tür, und berührst sie mit einer Hand. Sofort überkommt dich Übelkeit, und du lässt deinen Kopf hängen, und schüttelst ihn hoffnungslos.
Du kannst nicht raus—oder vielleicht willst du einfach nicht?

Du gehst zu deinem Bett, deinem einzigen Zufluchtsort. Mehr kannst du in diesem einsamen, langweiligen Raum nicht tun. Vielleicht kannst du ja ein wenig Freiheit in der Welt der Träume finden. Du kriechst in dein Bett, mit den gleichen Kleidern wie zuvor, und ziehst die Decke über deinen Kopf.
So kannst du deine Augen von allem abwenden.

--Nach nur drei Sekunden schläfst du ein.



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