Suzumiya Haruhi:Band4 Kapitel2

From Baka-Tsuki
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Kapitel 2[edit]

Der 18. Dezember endete schließlich, als würde er in einer Flasche mit Leim feststecken, und der nächste Tag brach an.

Der 19. Dezember.

Von heute an würden wir weniger Unterricht haben. Normalerweise hätte die Unterrichtszeit schon viel eher gekürzt werden sollen, aber vor kurzem wurde unsere Schule von einer rivalisierenden öffentlichen Schule bei den Gesamtergebnissen in der nationalen Probleklausur geschlagen. Unser Direktor hatte Feuer gespuckt und mit Gewalt einige Änderungen zur Steigerung der akademischen Leistungen durchgesetzt. Die Geschichte ändert sich eben doch nicht.

Um mich herum gibt es nur Veränderungen in der North High und in der SOS Brigade. Ich ging zur Schule, als wäre ich im willkürlichen Plan eines gewissen Jemands gefangen und musste feststellen, dass in Klasse 1-5 noch mehr Leute fehlten. Taniguchi war nirgends zu sehen, anscheinend hatte er endlich die 40 Grad Marke überschritten.

Und auch heute saß Asakura anstelle Haruhis hinter mir.

"Guten Morgen. Bist du heute wach? Schön, wenn es so wäre."

"Wir werden sehen."

Ich legte meine Tasche mit einem Pokerface auf meinem Tisch ab. Asakura stützte ihr Kinn auf ihren Händen ab.

"Aber einfach die Augen offen zu haben bedeutet nicht zwangsläufig, dass du wach bist. Der erste Schritt zum Verständnis ist, mit den Augen einen festen Blick auf die Situation zu haben. Wie geht es dir? Begreifst du die Situation gut?"

"Asakura."

Ich lehnte mich vor und warf einen blitzenden Blick auf Ryouko Asakuras hübsch gemeißeltes Antlitz.

"Sag mir nochmal: Erinnerst du dich wirklich nicht oder spielst du einfach nur die Dumme? Hast du nicht schonmal versucht, mich umzubringen?"

Asakuras Gesicht nahm plötzlich einen bedrückten Ausdruck an, mit genau den gleichen Augen, mit denen man einen Patienten anschauen würde.

"... Scheint, als wärst du immer noch nicht wach. Hier ist mein Rat: Such schnellstens einen Arzt auf. Geh, bevor es zu spät ist!"

Von da an hielt sie den Mund und ignorierte mich, als sie eine Unterhaltung mit einem benachbarten Mädchen begann.

Ich wandte mein Gesicht nach vorne, kreuzte meine Arme und starrte direkt in die Luft.


Lass es mich mal so ausdrücken:

Angenommen es gäbe eine sehr unglückliche Person. Diese Person wäre auf spektakuläre Weise unglücklich, egal ob man es vom subjektiven oder objektiven Standpunkt sah. Diese Person ist von Natur aus die Personifikation des Unglücks, so dass sich sogar der alte Prinz Siddharta, der die tiefsten Verständnis der Erleuchtung erlangt hatte, von dieser Person abwenden würde. Eines Tages fällt er (die Person könnte eine Sie sein, doch ich nehme an, es sei ein Er, um es nicht zu verkomplizieren) in einen tiefen Schlaf, während ihn noch sein gewohntes Unglück quält und als er am nächsten Tag aufwacht, steht die Welt komplett auf dem Kopf. Es ist nun eine Welt, so wundervoll, dass Worte es nicht beschreiben können, nicht einmal das Wort "Utopia". In dieser Welt wurde sein Unglück komplett weggespült, und sein Körper und Geist sind nun von Kopf bis Fuß mit Glück jeder Art erfüllt. Kein Unglück wird ihm passieren, und irgendjemand musste ihn über Nacht von der Hölle in den Himmel gebracht haben.

Natürlich spielt die Meinung der Person hierbei keine Rolle. Er wurde von jemandem entführt, den er nicht kennt, und auch die Identität dieses Jemands ist komplett unbekannt. Es ist unbekannt, warum dieser Jemand das mit der Person macht. Wahrscheinlich weiß es nur der Himmel.

Nun, wäre die Person in diesem Fall glücklich? Indem die Welt verändert wurde, ist das Unglück der Person gänzlich verschwunden. Dennoch ist diese Welt nicht seine eigene Welt, und das größte Rätsel ist noch immer der Grund für diese Veränderungen.

Gemäß den bestenmöglichen Bewertungskriterien, wem sollte diese Person ihren Dank erweisen?

Um das klarzumachen, diese Person bin nicht ich. Das Ausmaß ist viel zu unterschiedlich.

Nun... ich denke mal die Analogie war schlecht für meinen Fall. Ich hatte bis gestern nicht wirklich die unterste Grenze des Unglücks erreicht und war im Moment auch nicht gerade der glücklichste Mensch auf Erden.

Dennoch, wenn man die Ausmaße des Problems außen vorlässt, passt die Analogie, besonders, wenn es darum geht, es auf den Punkt zu bringen. Meine Nerven wurden praktisch permanent von den komischen Ereignissen rund um Haruhi erschüttert, und nun haben solche Geschichten anscheinend keine Bedeutung mehr für mich.

Dennoch--

Hier gibt es keine Haruhi und keinen Koizumi, Nagato und Asahina sind normale Menschen und die Existenz der SOS Brigade wurde komplett ausgelöscht. Keine Außerirdischen, keine Zeitreisenden, kein ESP. Zu allem Überfluss sprechen Katzen nicht. Es ist nur eine ganz normale Welt.

Also wie ist das?

Welche Welt ist besser für mich geeignet? Welche Welt wird mir gefallen? Die Welt, die bis jetzt war? Oder die Welt jetzt?

Bin ich jetzt glücklich?


Nach der Schule gingen meine Füße aus Gewohnheit per Autopilot in Richtung Literaturclubraum. Es ist eine typische Reflexsituation -- der Körper bewegt sich, ohne dass das Gehirn darüber nachdenkt, wenn dieselbe Sache jeden Tag wiederholt wird. Es ist dasselbe, wie der Ablauf beim Baden. Es gibt keine vorgeschriebene Reihenfolge, wie man den Körper schrubbt, doch ab einem gewissen Zeitpunkt wird die Reihenfolge jedesmal mechanisch abgespielt.

Jeden Tag, wenn der Unterricht vorbei ist, gehe ich in Richtung SOS Brigade, trinke den von Asahina-san zubereiteten Tee und spiele mit Koizumi Spiele, während ich mir die durchgeknallten Reden von Haruhi anhöre. Es mag eine schlechte Angewohnheit sein, aber es fällt mir schwer, sie loszuwerden, auch wenn man es mir befiehlt, gerade weil es eine schlechte Angewohnheit ist.

Darum war die Atmosphäre heute ein wenig anders.

"Was soll ich damit machen?"

Ich starrte im Laufen auf das leere Anmeldeformular. Nagato hatte es mir gestern gegeben, weil sie mich sicher unbedingt dazu ermutigen wollte, dem Literaturclub beizutreten. Aber ich verstehe nicht; warum hat sie mich eingeladen? Weil der Literaturclub keine anderen Mitglieder hat und aufgelöst werden soll? Doch es war mutig von ihr, mich anzuwerben, der doch buchstäblich aus dem Nichts aufgetaucht war und sie überfallen hatte. Anscheinend behielt nur Nagato in dieser falschen Welt nicht ihre irgendwie komische Logik bei.

"Agh!"

Während ich in Richtung des Clubraumblocks ging, passierte ich das Asahina-Tsuruya Paar. Asahina-san sprang buchstäblich zurück, als sie mich sah und klammerte sich an Tsuruya-san, während sie sich hinter ihr versteckte. Die Reaktion, die diese anbetungswürdige Elftklässlerin bei meinem Anblick demonstrierte, schmerzte, daher verbeugte ich mich kurz und ging weiter. Oh bitte, lass die alten Tage wiederkehren, so dass ich diese Süße erneut genießen kann!

Ich klopfte dieses Mal und hörte eine leise Antwort. Erst dann öffnete ich die Tür.

Nagatos Augen liefen quer über mein Gesicht und kehrten dann zu dem Buch in ihren Händen zurück. Die Bewegung, mit der sie ihre Brille zurückschob, schien ihre Begrüßung zu sein.

"Ist es in Ordnung, dass ich wiederkomme?"

Ihr kleiner Kopf nickte bestimmt. Ihre Augen waren hingegen mehr an dem vor ihr aufgeschlagenen liegenden Buch interessiert, und sie hatte ihren Kopf nicht mal erhoben.

Ich legte setze meine Tasche zur Seite und warf einen Blick umher, um etwas zu finden, das ich tun konnte. Aber in diesem unauffälligen Raum gab es nicht allzuvieles, mit dem ich herumspielen konnte. Also hatten meine Augen keine andere Wahl, als auf die Bücherregale zu fallen.

Alle diese Regale waren bis oben hin mit Büchern aller Größen vollgestopft. Es gab mehr Hardcover als Taschenbücher oder Heftromane, was wohl ein Zeichen für Nagatos Vorliebe für schwere Literatur war.

Stille.

Ich sollte eigentlich an Nagatos Stille gewöhnt sein, doch heute war sie in diesem Raum ziemlich schmerzhaft. Ich würde es nicht aushalten, wenn ich nichts sagen würde.

"Sind das alles deine Bücher?"

Die Antwort kam sofort:

"Einige waren hier, bevor ich kam."

Nagato zeigte mir den Umschlag des Hardcovers, das sie hielt:

"Das hier ist geliehen. Aus der öffentlichen Bibliothek."

Auf das Buch war ein Strichcode aufgeklebt, der zeigte, dass es der öffentlichen Bibliothek gehörte. Fluoreszierendes Licht spiegelte sich im laminierten Umschlag und Nagatos Brillengläser leuchteten für eine Sekunde.

Ende der Unterhaltung. Nagato kehrte zu ihrer stillen Leseherausforderung gegen das dicke Buch zurück und das Thema war beendet.

Die Stille war unfassbar drückend. Ich suchte nach irgendeinem Unterhaltungsthema und sagte beliebige Worte:

"Schreibst du deine eigenen Texte?"

Danach folgten 3/4 eines Taktes der Stille.

"Ich lese nur."

Ihre Augen huschten für den Bruchteil einer Sekunde zum Computer bevor sie sich hinter den Linsen versteckten, doch das entging meinem Blick nicht. Verstehe. Deswegen musste Nagato etwas machen, bevor sie mich den Computer benutzen lassen hat. Ich entwickelte ein unstillbares Verlangen, die Geschichte zu lesen, die Nagato geschrieben hatte. Was mag sie wohl geschrieben haben? Sicher Science Fiction. Es würde doch keine Liebesgeschichte sein, oder?

"..."

Es war schwer, mit Nagato überhaupt ein Gespräch zu beginnen. In dieser Hinsicht war diese Nagato nicht anders.

Ich nahm meine stille Betrachtung des Bücherregals wieder auf.

Irgendwie hielten meine Augen auf einem Buchrücken an.

Es war ein bekannter Titel. Damals als die SOS Brigade begann, hatte mir Nagato diesen ersten Band einer langen ausländischen Science Fiction Serie geliehen, ein Buch mit einer unheimlichen Wörterzahl. (Anmerkung Übersetzer: laut Anime handelt es sich hierbei um Dan Simmon's Hyperion) Jetzt wo ich's erwähne, Nagato war damals noch ein Meganekko und sie hatte mir dieses Buch aufgezwungen ohne eine Ausrede zu erlauben. "Nimm das!" sie hatte diese Worte gesagt und war dann zügig gegangen. Ich hatte zwei Wochen gebraucht um das ganze Ding durchzulesen. Für mich schienen seitdem Jahre vergangen zu sein. Zu viel war in der Zwischenzeit passiert.

Komische Gefühle der Nostalgie stiegen in mir auf und ich nahm das Hardcover aus dem Bücherregal. Ich stand nicht da und las in einer Bücherhandlung, daher strengte ich mich beim Lesen nicht besonders an. Ich blätterte wahllos über die Seiten und war schon davor, das Buch an seinen Platz zurückzustellen, als ein mir ein kleines rechteckiges Stück Papier vor die Füße fiel.

"Hmmm?"

Ich hob es auf. Es war ein Lesezeichen mit blumigen Zeichnungen. Es sah aus, wie eins dieser Lesezeichen, dass Bücherläden ohne zu fragen mit hineinlegten -- Lesezeichen?

Es war, als würde die Welt anfangen, sich um mich zu drehen. Ah... damals... ich öffnete dieses Buch in meinem Zimmer... fand dasselbe Lesezeichen... dann raste ich mit meinem Fahrrad los... ich konnte den Spruch aus dem Kopf aufsagen.

Heute Abend, sieben Uhr, ich warte auf dich im Park vor dem Bahnhof.

Ich hielt die Luft an und drehte es mit zitternden Händen um -- und ich sah:



"Bedingung für Programmstart: Sammle die Schlüssel. Zeitlimit: Zwei Tage später."



Dieser Satz, als wäre er eine alte Nachricht, stand in ordentlichen computerschriftartigen Zeichen auf dem Lesezeichen geschrieben, das aus dem Hardcover gefallen war.

Sofort drehte ich mich um und eilte in drei Schritten zu Nagatos Tisch. Meinen Blick auf ihre sich weitenden schwarzen Pupillen gerichtet, fragte ich: "Hast du das geschrieben?"

Nachdem sie einige Zeit auf die Rückseite des Lesezeichens, das ich ihr hinhielt, gestarrt hatte, richtete Nagato ihren Kopf auf. Mit einem verwunderten Ausdruck antwortete sie: "Es sieht meiner Schrift ähnlich. Aber... ich weiß nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, das geschrieben zu haben."

"... verstehe. Genau wie ich dachte. Nun, es ist in Ordnung. Ich wäre besorgt, wenn du es gewusst hättest. Weißt du, es gibt da etwas, das mich beunruhigt. Nun ja, vergiss mein Geplapper..."

Während ich eine Entschuldigung vor mich hinmurmelte, fühlte ich mich, als hätte mich mein Verstand verlassen.

Nagato.

Also ist diese Nachricht von dir, in Ordnung. Es ist nur eine trockene und eintönige Zeile von Buchstaben, doch ich bin erleichtert. Darf ich es als Geschenk der Nagato betrachten, die ich seit langem kenne? Es ist ein Hinweis wie ich die momentane Situation durchbrechen kann, richtig? Andernfalls würdest du nicht so einen Mahnungsartigen Kommentar schreiben?

Programm. Bedingung. Schlüssel. Deadline. Zwei Tage später.

... Zwei Tage später?

Heute war der 19. Sollte ich zwei Tage von genau diesem Moment weiterzählen? Oder sollte ich von gestern an zählen, als die ganze Welt anfing, verrücktzuspielen? Im schlimmsten Fall wäre die Deadline morgen am 20.

Die Überraschung kühlte allmählich ab, wie Magma, das langsam aus der Erdkruste floss. Ich weiß nichts, aber es klingt als müsste ich ein paar Schlüssel suchen um ein Programm zu starten. Doch was waren die Schlüssel? Wo waren sie versteckt? Wie viele gab es von ihnen? Wenn ich sie alle gesammelt haben würde, wo sollte ich sie für das Souvenir eintauschen?

Fragezeichen schwebten in Scharen über meinem Kopf und vereinten sich letztlich zu einem riesigen Fragezeichen.

Wenn ich dieses Programm starte, wird dann die Welt wieder normal werden?


Hastig nahm ich, beginnend von weit hinten, Bücher aus den Regalen und stellte sie wieder zurück und prüfte, ob dazwischen andere Lesezeichen lagen. Während ich Nagatos erstaunten Blick ertrug, suchte ich weiter, doch es nutzte nichts. Es gab keine anderen.

"Nur dieses eine, hä?"

Nun, wenn jemand zu gierig wird, zu viel haben will und nach jedem Souvenir greift, das er finden kann, wird ihn das Gewicht am Ende runter ziehen, so dass er von vorne beginnen muss. Planlos umherzuirren ist eine simple Verschwendung von sowohl Zeit als auch HP. Eins nach dem anderen; hol die Schlüssel. Der Gipfel war noch immer weit entfernt, doch zumindest hatte ich es geschafft, den Wegweiser zu finden.

Nachdem ich um Erlaubnis gebeten hatte, leerte ich meine Lunchbox aus und setzte mich diagonal gegenüber von Nagato. Während ich an meinem Essen knabberte, leerte ich auch meinen Geist von Gedanken. Nagato schien ihre Augen hin und wieder auf mich zu richten, doch ich bediente meine Essstäbchen mechanisch und konzentrierte mich auf die wichtige Aufgabe vor mir -- meinen Gehirnzellen fleißig Nährstoffe zuzuführen.

Während die Zeit verstrich, leerte sich meine Lunchbox. Ich war kurz davor, Tee zu bestellen, als ich bemerkte, dass Asahina-san nicht bei uns war. Ich war frustriert, doch ich dachte weiter nach. Das war der Moment der Wahrheit. Ich durfte diesen schwer erkämpften Hinweis nicht verkommen lassen. Schlüssel. Schlüssel. Schlüssel. Schlüssel...

Ich war sicher für zwei Stunden in einer heißen Denkrunde versunken.

Weil ich meine Dummheit immer mehr verabscheute, wurde ich letztlich von Mutlosigkeit überwältigt.

"Ich kapier's einfach nicht!" fluchte ich leise.

Die Schlüssel waren schonmal zu mehrdeutig. Es konnten unmöglich reale Schlüssel zum auf- und abschließen gemeint sein, daher dachte ich, dass es sich hier um etwas wie Schlüsselworte oder Schlüsselpersonen handeln musste. Aber der Bereich war immer noch zu groß. War es ein Gegenstand oder ein Spruch? War es mobil oder fest? Ich hätte am liebsten noch einige Hinweise in diese Richtung. Ich versuchte mir vorzustellen, was Nagato gedacht hatte, als sie das Lesezeichen beschrieben hatte, doch ich konnte mir nur vorstellen, wie sie ein schweres Buch las oder eine beeindruckende, aber schmerzhaft lange Ansprache hielt -- genau die Nagato, die ich so lange gekannt hatte.

Mit plötzlichem Interesse drehte ich meinen Kopf herüber; dort war die bewegungslose Nagato, als mache sie ein Nickerchen. Vielleicht bildete ich es mir nur ein, doch sie blieb ohne Fortschritt auf derselben Seite. Dennoch, als Beweis dafür, dass sie keinen Nachmittagsschlaf hielt, färbten sich ihre Wangen leicht rot, als sie meinen geistesabwesenden Blick bemerkte. Diese Nagato, das Literaturclubmitglied, war entweder von Natur aus unglaublich schüchtern oder es nicht gewohnt, von anderen beachtet zu werden.

Äußerlich sah sie genau gleich aus, doch sie reagierte immer noch auf eine ungewohnte Art, die mein Interesse weckte. Ich fixierte meine Augen absichtlich auf sie und beobachtete sie.

"..."

Auch wenn ihre Augen auf die Seiten gerichtet waren, war es offensichtlich, dass sie nicht ein einziges Wort las. Nagato keuchte leise durch leicht geöffnete Lippen, und der leichte Bewegungsrhythmus ihrer Brust wurde langsam sichtbar. Die leichte Rötung auf ihren Wangen wurde von Minute zu Minute dunkler. Um ehrlich zu sein, Nagato war ziemlich -- nein, sehr hübsch. Mir schoss eine Idee durch den Kopf, wenn auch nur kurz: Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, dem Literaturclub beizutreten und diese völlig neue Welt ohne Haruhi zu genießen.

Aber nein. Ich würde das Handtuch noch nicht werfen. Ich nahm das Lesezeichen aus meiner Tasche und drückte es fest, ohne es zu zerdrücken. Dass sie dieses Lesezeichen in diese Welt geschmuggelt hatte, bedeutete, dass die Nagato, die mit einem dreieckigen Hut las, noch etwas mit mir vorhatte. Ich hatte auch noch etwas vor! Ich hatte Haruhis selbstgemachtes Essen noch nicht probiert. Ich hatte das Bild von Asahina-san im Santa-Outfit noch nicht in meine Netzhaut gebrannt. Mein Spiel mit Koizumi war unterbrochen worden, als ich im Vorteil war, weil er damit beschäftigt war, den Raum zu dekorieren. Ich würde gewinnen, wenn wir so weitermachen würden, also würde ich andernfalls meine rechtmäßigen hundert Yen verlieren.


Die untergehende Sonne schien durch das Fenster und die Zeit war gekommen, dass sie sich als riesiger orangener Ball hinter dem Campus Block versteckte.

Ich war es leid, still auf meinem Stuhl zu sitzen und es würde nichts dabei rauskommen, wenn ich mein Gehirn noch weiter ausquetschte. Ich stand auf und griff nach meiner Tasche.

"Lassen wir's für heute gut sein."

"Okay."

Nagato schloss das Hardcover, das sie gelesen haben mochte oder auch nicht, stopfte es in ihre Tasche und stand auf. Hatte sie womöglich darauf gewartet, dass ich es laut aussprach?

Ich griff nach meiner Tasche. Sie bewegte sich keinen Zentimeter, als würde sie auf ewig still stehen, bis ich zuerst hinausging.

"Hey, Nagato?"

"Was?"

"Du wohnst alleine, oder?"

"... Ja."

Sie dachte sich sicher, wie zum Teufel konnte er das wissen?

Ich war kurz davor, zu fragen, ob sie mit ihrer Familie zusammen lebte, doch ich stutzte, als ich sah, wie sie ihre Wimpern leicht niederschlug. Erinnerungen an ihr Zimmer, das fast keine Möbel enthielt, stiegen in mir auf. Mein erster Besuch war sieben Monate her, und die kosmische telepathische Unterhaltung auf einer Skala, die keine Grenzen kannte, war in vieler Hinsicht einfach erschreckend. Der zweite Besuch war an Tanabata vor drei Jahren gewesen, und ich war zusammen mit Asahina-san dort gewesen. Der zweite Besuch lag eher auf der Zeitlinie als der erste, was ich als eine Leistung ansehe.

"Wie wäre es, eine Katze zu halten? Katzen sind wunderbar! Sie mögen die ganze Zeit schlaff wirken, doch manchmal frage ich mich, ob sie verstehen können, was ich sage. Ich wäre nicht überrascht, wenn es Katzen gäbe, die sprechen könnten. Das ist kein Witz."

"Haustiere verboten."

Nach der Antwort war sie eine Zeit lang still und klimperte traurig mit den Wimpern. Es klang wie das Geräusch des Windes von einer segelnden Schwalbe, als sie Luft holte und mit zerbrechlicher Stimme fragte:

"Möchtest du mitkommen?"

Nagato schaute auf meine Fingernägel.

"Wohin?"

fragten meine Fingernägel zurück.

"Zu mir nach Hause."

Eine stille Pause von der Dauer eines halben Taktes.

"... Kann ich?"

Was zum Teufel war passiert? War sie zurückhaltend, schüchtern oder aggressiv? Die Kurve der Psyche dieser Nagato war einfach nicht stetig! Oder ist die Mentalität eines normalen High-School Mädchens heutzutage genauso unregelmäßig wie die Lichtkurvenphase von Mira A?

"Sicher."

Nagato ging hinaus und entkam meinem Sichtfeld. Sie schaltete die Zimmerlichter aus, öffnete die Tür und verschwand im Flur.

Ich folgte natürlich. Nagatos Zimmer. Zimmer 708 in einem luxuriösen Apartment. Ich würde einfach einen Blick auf das Wohnzimmer werfen. Ich könnte dort einen neuen Hinweis finden.

Sollte ich dort ein anderes "Ich" schlafend vorfinden, würde ich es sofort mit meiner Faust aufwecken.



Auf dem Rückweg von der Schule sprachen Nagato und ich kein Wort.

Nagato ging einfach still geradeaus die Steigung hinunter und schritt dabei als bliese ihr ein starker kalter Wind entgegen. Ihr Haar war von plötzlichen Windböen zerzaust. Während ich ihren Hinterkopf anschaute bewegte ich einfach nur meine Beine weiter. Es gab nicht viele Themen, bei denen ich es für richtig hielt, sie anzuschneiden, und ich spürte, dass ich besser nicht nachfragen sollte, warum ich eingeladen worden war.

Nachdem sie einige Zeit gegangen war, hielt Nagato schließlich vor dem luxuriösen Appartementgebäude an. Wie oft ich hier war? Ich war zweimal in Nagatos Zimmer, einmal in Asakuras Zimmer und einmal auf dem Dach gewesen. Indem sie das Passwort in das Eingabefeld am Eingang eingab, schloss Nagato die Türen auf und betrat die Lobby ohne zurückzublicken.

Sie war sogar im Fahrstuhl still. Am achten Zimmer des siebten Stocks schob sie den Schlüssel in die Tür und öffnete sie, doch auch dann bat sie mich nur mit einer Geste herein.

Ich ging ohne ein Wort zu sagen. Die Anordnung im Zimmer war nicht anders als in meinem Gedächtnis. Es war einfach ein uninteressanter Raum. Es gab im Wohnzimmer keine Möbel abgesehen von einem Kotatsu. Wie üblich gab es nicht einmal Vorhänge.

Und dann war da das Gästezimmer. Es sollte der Raum sein, der durch eine Schiebetür getrennt war.

"Darf ich mir diesen Raum mal anschauen?"

fragte ich Nagato, die mit einem japanischen Teeservice aus der Küche kam. Nagato blinzelte langsam.

"Nur zu."

"Entschuldige mein Eindringen."

Die Schiebetür glitt auf, als hätte sie ein Kugellager.

"..."

Drinnen waren nur Tatamimatten.

Nun, ich hätte es ahnen müssen. Ich konnte unmöglich so oft in die Vergangenheit gereist sein.

Ich schob die Tür wieder in ihre Ursprungsposition und zeigte Nagato, die mich beobachtete, meine offenen Hände. Die Geste musste ihr nichts bedeutet haben. Dennoch setzte Nagato wortlos zwei Teetassen auf den Kotatsu-Tisch, setzte sich aufrecht mit ihren Beinen unter sich und begann damit, Tee einzuschenken.

Ich saß ihr gegenüber im Schneidersitz, in derselben Position in der ich auch bei meinem ersten Besuch gesessen hatte. Ich hatte ohne Grund mehrere Tassen Tee getrunken, den Nagato zubereitet hatte und danach ihrem Monolog über das Universum zugehört. Es war eine Jahreszeit voll frischen Grüns und extremer Hitze gewesen, ganz andere Dimensionen als die momentane Kälte. Selbst mein Herz war jetzt kühler.

Während wir still gegenübersitzend Tee tranken, sanken Nagatos Augen hinter ihre Brille herab.

Aus irgendeinem Grund zögerte Nagato. Ihr Mund öffnete sich, schloss sich aber wieder. Sie schaute zu mir auf, als hätte sie Mut gefasst, doch schaute dann wieder nach unten. Sie wiederholte das einige Male. Schließlich stellte sie ihre Teetasse beiseite und zwang ihre Stimme mit großer Anstrengung heraus:

"Ich bin dir schon mal begegnet."

Wie ein Zusatz:

"Außerhalb der Schule."

Wo?

"Erinnerst du dich?"

Was?

"Bibliothek."

Als ich das Wort hörte, sprang das Getriebe in meinem Gehirn quietschend an. Die Erinnerung mit Nagato in der Bibliothek kam hervor. Es war die erste Suche nach dem Mysteriösen.

"Diesen Mai,"

Nagato senkte ihren Blick,

"hast du mir geholfen, einen Bibliotheksausweis zu bekommen."

Meine Psyche wurde von einem elektrischen Schlag getroffen und versagte den Dienst.

... Ja. Andernfalls hättest du vor den Bücherregalen festgesteckt! Haruhis Anrufe kamen wie Telefonstreiche und es gab keine andere Möglichkeit uns schnell zum Treffpunkt zurückzubringen...

"Du..."

Aber als Nagato weiter erklärte, fand ich heraus, dass ihre Beschreibung der Situation anders war, als mein Eindruck. Hier war die Erklärung, die Nagato mir in ihrer leisen murmelnden Stimme gab:

Ungefähr Mitte Mai hatte Nagato die Stadtbibliothek zum ersten Mal besucht, doch sie hatte nicht gewusst, wie man einen Bibliotheksausweis bekommt. Es hätte ausgereicht, wenn sie einen der Bibliothekare gefragt hätte, doch die wenigen Bibliothekare waren beschäftigt gewesen. Darüberhinaus hatte Nagato, die introvertiert und schlecht mit Worten war, nicht den Mut aufgebracht, zu fragen, so dass sie anfing, verzweifelt um den Schalter herumzuwandern. Ein vorbeikommender High-School-Schüler konnte sie wohl nicht einfach so stehen sehen und bot an, für sie all die Prozeduren zu erledigen.

"Das warst du."

Nagato schaute mich an und unsere Augen trafen sich für eine halbe Sekunde, bevor sie ihre Augen wieder auf den Kotatsu fallen ließ.

"..."

Nagato und ich teilten uns das Punkt-Punkt-Punkt. Die Stille kehrte in die Leere des Wohnzimmers zurück, aber ich konnte keine Worte finden. Das lag daran, dass ich ihre Frage, ob ich mich erinnern konnte, unmöglich beantworten konnte. Meine und ihre Erinnerungen waren leicht unterschiedlich. Es stimmte, dass ich den Bibliotheksausweis für sie beantragt hatte, doch ich war kein Passant gewesen; stattdessen war ich derjenige gewesen, der sie überhaupt erst in die Bibliothek gebracht hatte. Wir hatten unsere Patrouille auf der Suche nach dem Mysteriösen, die zum Scheitern verurteilt war, aufgegeben und uns entschieden, unsere Zeit in der Bibliothek zu vertrödeln. Selbst wenn mein Erinnerungsvermögen so klein war, wie das einer jungen Seeanemone, ich könnte das Bild der stillen Nagato in Uniform niemals vergessen.

"..."

Unsicher, wie sie mit meinem Schweigen umgehen sollte, verzog Nagato ihre Lippen mit einer Spur von Trauer und begann mit ihrem schlanken Finger um den Rand der Teetasse zu kreisen. Als ich das kaum sichtbare Zittern ihres Fingers sah, hütete ich mich noch mehr davor, irgendein Thema anzuschneiden und die Stille wurde immer dichter.

Es wäre so einfach, ihr einfach zu antworten, dass ich mich erinnerte. Es wäre keine direkte Lüge. Es gäbe nur ein paar Lücken zur Wahrheit. In diesem Fall stellten diese Lücken das größte vorhandene Problem dar.

Warum gab es so einen Unterschied?

Die Außerirdische, die ich kannte, war irgendwohin verschwunden und hatte nur ein Lesezeichen zurückgelassen.


Ding-dong!

Das Klingeln der Gegensprechanlage durchbrach die ewige Stille. Ich wäre aufgrund des plötzlichen Geräuschs beinahe aus meiner sitzenden Haltung aufgesprungen. Nagatos Körper schüttelte sich vor Überraschung und richtete sich auf den Eingang.

Es klingelte erneut. Ein neuer Besucher war angekommen. Aber wer zum Teufel würde Nagatos Zimmer besuchen? Ich konnte mir niemanden vorstellen außer einem Lieferanten oder einem Geldeintreiber.

"..."

Wie eine Seele, die sich gerade von ihrem Körper gelöst hatte, stand Nagato auf und glitt ohne Schrittgeräusche zur Wand. Sie drückte einige Tasten an der Gegensprechanlage und lauschte der Stimme von jemandem. Dann wandte sie sich mir mit einem leicht besorgten Ausdruck zu.

Nagato sprach leise über den Lautsprecher, anscheinend gab sie dabei Absagen wie "Aber..." und "Nun..." von sich.

"Warte."

Offensichtlich war Nagato besiegt. Sie schwebte in Richtung Eingang und schloss die Tür auf.

"Sieh an, wer da ist."

Das Mädchen stürzte mit der Schulter gegen die Tür herein.

"Warum bist du hier? Das ist mal was Neues -- Nagato-san bringt einen Jungen mit."

Das Mädchen in einer Uniform der North High hielt mit beiden Händen einen Topf und zog gekonnt ihre Schuhe aus indem sie ihre Zehen gegen die Türschwelle drückte.

"Sag nicht, du hättest dich aufgezwungen!"

Sag du mir erst, warum du überhaupt hier bist! Es ist eine Überraschung, dein Gesicht außerhalb des Klassenzimmers zu sehen!

"Ich bin sowas wie eine Freiwillige. Es ist eine echte Überraschung, dich hier zu sehen!" Das hübsche Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.

Sie war die Klassensprecherin, die hinter mir saß.

Mit anderen Worten, Ryouko Asakura war eingetroffen.


"Ich habe sicher zu viel gemacht. Es war so heiß und schwer!"

Mit einem Lächeln stellte Asakura den großen Topf auf den Kotatsu. Wenn jemand zu dieser Jahreszeit ein Lebensmittelgeschäft betreten würde, würde ihn auch dieser Geruch begrüßen. In dem Topf war Oden. War es von Asakura zubereitet worden?

"Genau. Gelegentlich teile ich sowas, das schnell in großen Mengen zubereitet werden kann, mit Nagato-san. Wenn man sie alleine ließe, wäre sie einfach unterernährt."

Nagato ging in die Küche, um Teller und Essstäbchen vorzubereiten. Man konnte das Klirren von Geschirr hören.

"So. Darf ich fragen, warum du hier bist? Das interessiert mich."

Mir fehlten die Worte. Ich war hier, weil Nagato mich eingeladen hatte, doch ich wusste nicht warum ich eingeladen worden war. Wegen der Geschichte mit der Bibliothek? Es hätte gereicht, im Clubraum darüber zu reden. Ich für meinen Teil war gehorsam gefolgt, weil ich dachte, hier könnten Hinweise sein, was diese "Schlüssel" wären, doch das konnte ich jetzt nicht laut sagen. Es wäre schlecht, sie dazu zu bringen, sich um meinen geistigen Zustand zu sorgen.

Ich dachte mir eine beliebige Lüge aus.

"Nun...Sicher. Ich nahm denselben Weg nach Hause wie Nagato... Ja, ich bin etwas unsicher, ob ich dem Literaturclub beitreten soll oder nicht. Also bin ich mit ihr gegangen und hab nach ihrer Meinung gefragt. Wir kamen am Apartment an, aber unsere Unterhaltung war noch nicht beendet, also lud sie mich ein. Ich hab mich nicht aufgedrängt."

"Du, im Literaturclub? Entschuldige aber ich wüsste nicht, wo das passen soll. Liest du überhaupt Bücher? Oder willst du sie schreiben?"

"Meine Frage ist eben, ob ich von jetzt an lesen oder schreiben sollte. Das ist alles."

Der Deckel wurde vom Topf genommen und ein appetitanregendes Aroma erfüllte den Raum vom Kotatsu aus. Die gekochten Eier, die in der Brühe trieben und sanken, hatten eine großartige Farbe angenommen.

Asakura-san, die aufrecht mit gekreuzten Beinen in der linken Ecke saß, warf mir misstrauische Blicke zu. Es könnte an mir gelegen haben, aber die Blicke waren so scharf, dass, wenn sie Gewicht gehabt hätten, meine Schläfe jetzt voller kleiner Löcher wäre. Die alte Asakura war auf halbem Wege zu einer Serienkillerin geworden, doch bei dieser Asakura konnte man das tief verwurzelte Selbstvertrauen hinter ihrer würdevollen Haltung erkennen. Es gab keinen Zweifel, das dieses Oden viel leckerer als irgendein anderes auf dieser Erde sein würde. Diese Aura setzte mich unter Druck. In diesem Moment ging mir auf mehrere Arten das Selbstvertrauen aus. Ich wanderte nur hin und her, sonst nichts.

Weil ich es nicht mehr ertragen konnte, griff ich nach meiner Tasche und stand auf.

"Oh, du isst nicht mit uns?"

Während ich Asakuras spöttischem Ton mit Stille begegnete, entschied ich mich, mich mit unauffälligen Schritten aus dem Wohnzimmer zurückzuziehen.

"Oh."

Ich stieß beinahe mit Nagato zusammen, die aus der Küche kam. In Nagatos Händen war ein Stapel kleiner Teller mit Essstäbchen und einer Tube Senf obendrauf.

"Ich gehe. Entschuldige mein Eindringen. Man sieht sich."

Ich war dabei, wegzugehen, als ich einen Zug, so sanft wie eine Feder, an meinem Arm spürte.

"..."

Nagato zog mit ihren Fingern an meinem Ärmel. Der Zug war sehr sanft, mit genausoviel Kraft, wie man benutzen würde, um einen neugeborenen Babyhamster aufzunehmen.

Nagato zog mit ihren Fingern an meinem Ärmel. Der Zug war sehr sanft, mit genausoviel Kraft, wie man benutzen würde, um einen neugeborenen Babyhamster aufzunehmen.

Es war ein schwacher Ausdruck. Nagato schaute einfach hinunter, während sie meinen Ärmel nur mit ihren Fingern berührte. Konnte es sein, dass sie nicht wollte, dass ich ging? Konnte es sein, dass sie sich bedrängt fühlte, wenn sie mit Asakura alleine war? In jedem Fall war ich einverstanden, besonders wenn ich eine so bitterlich verzweifelte Nagato sah.

"... ich mach nur Spaß! Ich werde mitessen! Oh Mann, ich verhungere! Wenn ich nicht bald etwas in meinen Magen bekäme, würde ich nichtmal den Heimweg überleben!"

Endlich zogen sich ihre Finger zurück. Ich vermisste diese Szene irgendwie. Normalerweise gäbe es für mich keine Möglichkeit, Nagato ihre Gedanken so deutlich anzusehen. Dieser Moment gewann durch seine Seltenheit an Wert.

Als sie sah, wie ich ins Wohnzimmer zurückglitt, verengte Asakura ihre Augen, als hätte sie alles verstanden.


Ich konzentrierte mich komplett darauf, mir Oden in den Mund zu stopfen. Meine Geschmacksnerven schrien ob des leckeren Vergnügens, doch im Grunde meines Herzens erkannte ich nicht, was genau ich da aß. Nagatos Fokus lag auf jedem kleinen Kauen und sie brauchte fast drei Minuten, nur um ihren Konbu zu kauen und zu schlucken. Von uns dreien redete nur Asakura föhlich und ich gab die ganze Zeit halbherzige Antworten zurück.

Als hätten wir ein Feldlager vor den Toren der Hölle dauerte das Mahl länger als eine Stunde und meine Schultern wurden sehr steif.

Endlich stand Asakura auf.

"Nagato-san, bitte pack die übrigen Portionen in einen anderen Behälter und stell ihn in den Kühlschrank. Ich werde morgen vorbeikommen und den Topf abholen, also behalte ihn bitte bis dahin."

Ich folgte ihr. Es war als wäre ich von allen Fesseln erlöst. Nagato nickte mehrdeutig und senkte ihre Augen, als sie uns an der Tür verabschiedete.

Ich stellte sicher, dass Asakura gegangen war, bevor ich Nagato zuflüsterte:

"Man sieht sich. Kann ich dich morgen im Clubraum besuchen? Ich hab sonst keinen Ort, an den ich nach der Schule gehen könnte."

Nagato richtete ihre Augen auf mich und...

... zeigte mir ein schwaches aber eindeutiges *Lächeln*.


Ich war buchstäblich geblendet.


Während der Fahrstuhl nach unten fuhr, kicherte Asakura.

"Hey, magst du Nagato-san?"

Nun, es ist nicht so, dass ich sie hasse. Wenn ich mich zwischen Mögen und Hassen entscheiden müsste, würde ich ersteres wählen, doch ich habe ohnehin keinen Grund, sie zu hassen. Sie ist meine Retterin. Jupp. Asakura, es war Nagato, die mich vor deiner mörderischen Klinge gerettet hat, also wie kann ich sie hassen?

... Das obige konnte ich nicht sagen. Diese Asakura war nicht die andere Asakura, und das gleiche galt für Nagato. In dieser Welt schien ich der Einzige zu sein, der einen anderen Blick auf die Dinge hatte, und jeder andere war normal geworden. Es gab immerhin keine SOS Brigade.

Wie interpretierte diese schöne Klassenkameradin mein Schweigen auf ihre Frage? Sie lachte einfach durch ihre Nase.

"Keine Chance, wie ich sehe. Ich habe zuviel gelesen , wie es scheint. Dein Lieblingstyp wäre wohl eher eher seltsam und Nagato-san passt einfach nicht in dieses Profil."

"Woher kennst du meinen Lieblingstyp?"

"Ich habs zufällig von Kunikida-san gehört. Ihr wart in derselben Klasse auf der Junior High, oder?"

Dieser Bastard, der einfach solchen Mist herumerzählt. Das war einfach Kunikidas Missverständniss. Ignorier das bitte.

"Aber du! Wenn du mit Nagato-san ausgehen willst, solltest du es besser ernst meinen. Andernfalls werde ich dir nie verzeihen! Nagato-san mag zwar anders scheinen, doch im Inneren ist sie emotional sehr zerbrechlich."

Warum schenkt Asakura Nagato so viel Aufmerksamkeit? In meiner ursprünglichen Welt war Asakura Nagatos Verstärkung -- das hätte ich verstanden. Nun, letztendlich war sie allerdings Amok gelaufen und daher gelöscht worden.

"Es ist eine Freundschaft, die dadurch gefördert wird, dass wir im selben Apartmentblock leben. Irgendwie kann ich sie einfach nicht alleinlassen. Wenn ich sie von weitem sehe, spüre ich, dass sie in Gefahr ist. Und irgendwo in mir ist dann das Bedürfnis gewachsen, sie zu beschützen, verstehst du?"

Ich mag sie verstanden haben oder auch nicht.

Die Unterhaltung endete hier und Asakura verließ den Lift auf der fünften Etage. Raum 505, erinnerte ich mich.

"Wir sehen uns morgen."

Asakuras lächelndes Gesicht wurde hinter der schließenden Tür weggesperrt.

Ich verließ den Apartmentblock und die dunkle Atmosphäre draußen war genauso kalt, wie eine Gefriertruhe. Der Nordwind stahl meinem Körper noch etwas anderes zusammen mit meiner Körperwärme.

Ich dachte darüber nach, den alten Hausmeister zu grüßen, entschied mich aber dann dagegen. Die Glasfenster an der Hausmeisterstation waren fest verschlossen und es war dunkel innen. Er schlief wahrscheinlich.

Ich würde auch am liebsten schnellstmöglich in mein Bett zurückkehren. Ich wäre sogar mit einem Traum zufrieden. Das Mädchen konnte genausoleicht unterbewusst in die Träume anderer gelangen.

"Du bist einfach eine Plage, ob du da bist oder nicht, also komm in so einem kritischen Moment endlich verdammt nochmal hier raus! Kannst du nicht ausnahmsweise mal auf meinen Wunsch hören...?"

flüsterte ich in den sternbesetzten Himmel und erkannte plötzlich mit einem Schock, worüber ich nachgedacht hatte. Ich würde mir am liebsten selbst hart auf den Kopf schlagen, dafür dass ich solche unheimlichen Gedanken hegte.

"Was zum Teufel..."

Das Gemurmel aus meinem Mund wurde zu weißem Atem und löste sich in Luft auf.


Ich wollte Haruhi sehen.



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