Kino no Tabi Band 1 : Kapitel 2

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Land der Mehrheit -Unser Egoismus-[edit]

KNT V01 TOC C02.jpg

Ein Teppich aus Gras erstreckte sich, über den Horizont hinaus, soweit, wie das Auge sehen konnte. Das Gras wiegte sich in sanften wogen und verschwamm in Richtung Horizont in eine grüne Schicht.


Der Himmel war von einem klaren Blau, übersäht mit dahindriftenden, weißen Wolken, so hell, dass sie einen hätten blenden können, hätte man zu lange nach oben geschaut. Nur in der Ferne sah man eine einzelne Gewitterwolke, hoch aufgetürmt, wie ein majestätischer Himmelspalast. Die Schreie der Zikaden füllten die Luft.


Über diese Wiese nun führte eine einsame Straße.


Diese Straße, sie konnte kaum als solche bezeichnet werden, so schmal war sie, dass sie von oben fast nicht zu sehen war. Sie verlief gerade nach vorne, verlief aber ab und zu in ruckartigen Kurven, als würde sie den Bäumen auf ihrem Weg ausweichen wollen. Die Straße führte nach Westen.


Ein einzelnes Motorad (Anmerkung: Zwei-rädriges Fahrzeug. Kann nicht fliegen.) reiste auf dieser Straße. Das Motorad nahm die Kurven mit beachtenswerter Geschwindigkeit. Auf gerader Strecke beschleunigte es, sein Hinterrad, wirbelte die Erde auf und ließ einzelne Brocken und kleine Steine durch die Luft und ab und zu zwischen die Gräser fliegen.


Auf dem Motorad saß jemand, gekleidetet in einer langen, schwarzen Weste. Der Kragen war geöffnet, um Luft reinzulassen. Um die Hüfte war ein dicker Gürtel geschlungen, und am hinteren Teil dieses Gürtels hing ein Holster für einen Persuader (Anmerkung: Persuader sind Feuerwaffen. In diesem Fall, eine Pistole). Ihr Griff hing nach oben, sodass sie einfacher zu greifen war. Außerdem hing ein Revolver and der rechte Hüfte.


Unter der schwarzen Weste war ein weißes Shirt. Um dessen Ärmel am unkontrollierten Flattern im Fahrwind zu hindern, waren mehrere elastische Bänder um sie gewickelt worden.


Kurzes schwarzes Haar wehte im Fahrwind wild hin und her. Auf dem schmalen Gesicht ruhte eine silbern gerahmte Pilotenbrille, ihr Rahmen hatte bereits hier und da begonnen, abzublättern. Die Augen unter der Brille schauten gerade vorwärts.


Der Fahrer und das Motorad näherten sich einer Kurve, der Fahrer fuhr langsamer und lehnte sich zur Seite. Das Hinterrad schlitterte etwas auf dem Weg bevor es sich fing und das Motorad sicher weiter geradeaus fuhr.


Statt einem zweiten Sitz besaß das Motorad einen Gepäckträger. Auf ihm waren befestigt; eine große Tasche, und ein zusammengerollter, hellbrauner Mantel. Sie waren einfach, aber effektiv festgebunden worden, mit den Ärmeln der ehemligen Jacke, die der Fahrer trug und die nun eine Weste war. Unter dem Gepäckträger, auf beiden Seiten des Hinterrades, waren zwei Boxen, in denen noch mehr Gepäck verstaut werden konnte.


Das Motorad bewegte sich gleichmäßig durch die Wiese. Jeder, der nicht das Motorad oder der Fahrer war, sondern nur von außen zuschaute, hätte meinen können, es würde über den Boden gleiten.


Auf einmal hob sich das Kinn des Fahrers leicht an. Die linke Hand ließ den Lenker los und klopfte gegen den Tank des Motorads, und zeigte anschließend nach vorne.


"Jetzt kann ich's sehen."


Der Fahrer sprach zu dem Motorad.


"Endlich."


Das Motorad antwortete.


Weiter vorne auf ihrer Strecke kamen die verschwommenen Umrisse weißer Stadtmauern in Sichtweite.


Der Fahrer gab Gas.


=[edit]

"Jemand da?",


rief der Fahrer des Motorads. Die Brille saß nicht mehr auf dem Gesicht, sondern baumelte um den Hals. Ein Versuch war unternommen worden, dass vom Wind verwehte Haar in Ordnung zu bringen; ein vergeblicher.


Vor ihren Augen befand sich ein gewölbtes Eingangstor, imitten der hohen Stadtmauern. Die dicken Torflügel, eigentlich dazu gedacht, dazu gedacht, das Land vor Eindringlingen zu beschützen, standen weit offen. In der Dunkelheit hinter dem Tor konnte man mehrere Häuser aus Stein ausmachen. Das Wachhaus, in dem bewaffneten Wachen hätten, nun ja, Wache halten sollen, zeigte kein Zeichen menschlicher Anwesenheit.


Der Fahrer stand still und wartete auf eine Antwort, hebte den Arm nur einmal, um sich Schweiß aus den Augenbrauen zu wischen.


"Sieht so aus, als wär niemand Zuhause, Kino."


Statt einer Wache antwortete das Motorad, dass auf einen Ständer aufgestellt worden war.


"Merkwürdig."


Kino rief erneut.


Nur der sanft wehende Wind antwortete.


"Keine Antwort."


Das Motorad merkte das Offensichtiliche an.


"Wie wär's, wir gehen einfach rein? Das Tor ist doch sch0n offen."


"Das wäre nicht sehr klug, Hermes. Wenn du das Haus eines anderen betrittst, ohne dem Bewohner Bescheid zu sagen, hast du weder das Recht, noch bekommst du die Möglichkeit, dich zu beschweren, wenn ebendieser Besitzer dich über den Haufen schießt."


"Also... ja, klar, natürlich..." murmelte das Motorrad, genannt Hermes,


"Aber wenn niemand da ist, ist auch niemand da, um dich über den Haufen zu schießen. Davon mal abgesehen..."


"...Davon mal abgesehen?"


Kino drehte sich Hermes zu, wartete ab, damit er seinen Satz beendete.


"Es ist nicht wirklich so, dass es viele Menschen gibt, die dich über den Haufen schießen könnten, Kino. Selbst wenn jemand zieht, während du ihm den Rücken zudrehst, könntest du dich wahrscheinlich umdrehen und schneller selber schießen. Ganz sicher."


"...Danke für das Kompliment."


Lächelnd tippte Kino auf das rechte Holster. In ihm lag ein Revolver.


"Uns bleibt wohl nichts anderes übrig. Wir können ja nicht für immer hier bleiben. Fallen wir einfach mit dem Tor ins Land?"


"Bin ich auch dafür. Dann sind wir uns ja einig."


"Aber kein Zurückschießen. Irgendwas is, oder es sieht auch nur danach aus, als wäre was, wir rennen."


"Was immer du sagst."


Kino schob Hermes durch das Tor.


"Kino. Es ist ganz sicher jemand im Stadtzentrum. Lass uns einfach die Fragen, wo wir unseren Aufenthalt anmelden. Mm-hmm."


Hermes witzelte.


Kino und Hermes verließen den Schatten des Tores und betraten die von Mauern umschlossene Stadt.


=[edit]

"Mitten auf der Straße schlafen, hah."


Kino legte Zündholz auf das Lagerfeuer. Die Umgebung, pechschwarz; der Himmel, voller Sterne, hier und da hinter Wolken versteckt.


"Ich mein, wenigstens ist es nicht deine Schuld, Kino."


Hermes stand an der Seite, alles Gepäck abgeladen, seine metallischen Teile funkelten, reflektierten das Licht des Lagerfeuers.


"Also ist es deine, Hermes?"


"Absolut nicht. Die Leute in diesem Land sind Schuld. Der Fakt, dass niemand in einer Stadt mit solcher Architektur lebt, ist eine Beleidigung für die Gebäude. Eine Unverschämtheit. "


Hermes klang ernster als eben noch, was jedoch nicht heißen musste, dass er ernst war.


Kino und Hermes hatten ihr Camp inmitten einer Kreuzung aufgeschlagen.


Pflastersteinstraßen, breit genug für gleich mehrere Autos erstreckten sich gerade in alle 4 Richtungen. Sie wurden gerahmt von Steinhäusern, eng aneinandergebaut, ohne eine einzige Lücke zwischen ihnen. Alle hatten sie vier Stockwerke und zweifellos einiges an Geschichte miterlebt. Eins sah aus wie das andere. In keinem von ihnen brannte Licht.


Kino und Hermes hatten die Stadt für einen ganzen halben Tag durchstreift, ohne einer einzigen anderen Person zu begegnen. Nicht einmal Hinweise hatten sie gefunden, dass hier bis vor Kurzem noch gelebt worden war.


Ausgelaugt vom Erkunden der Stadt und verlassener Gebäude hatten sie ihr Camp schließlich hier aufgeschlagen, wo sie einen guten Blick auf ihrem Umgebung hatten. Aus irgendeinem Grund gab es eine bestimmte Stelle auf der Straße, an der das Kopfsteinpflaster zerbröselt war. Dort hatten sie ihr Feuer gemacht, mit Hilfe von trockenem Holz, dass von auf dem Boden gelegen hatte, und von dem Bäumen am Straßenrand zu stammen schien.


"Eine Geisterstadt, hah."


Kino murmelte, und zerteilte einen Block lehmartiger Substanz mit den Fingern. Reiseproviant. Kino war nicht besonders begeistert.


"Und was machen wir morgen?", fragte Hermes, als Kino mit Essen fertig war.


"Es gibt immer noch Orte hier, an denen wir noch nicht waren. Das ändern wir morgen."


"Könnte sinnlos sein."


"Auch ok."


Kino antwortete kurz angebunden, griff dann in die Tasche und zog eine Decke hinaus. Dann verließ Kino den Platz am Lagerfeuer, ging unter einen Dachvorsprung, breitete die Decke auf dem Bürgersteig aus und murmelte,


"Was würde ich geben für ein weiches Bett mit weißen Laken..."


"Mein Beileid. Mit der warmen Dusche wird's wahrscheinlich auch nix."


"...Oh naja."


Kino zog die Pistole an der rechten Hüfter aus dem Holster. Ein antiker Revolver, von Kino genannt "Kanone". Mit ihm in der Hand zog Kino die Decke über und legte sich auf den Boden.


"Gehst du schon schlafen?"


"Ja, ich hab sonst Nichts zu tun. Ich überlass dir das Wache halten. Gute Nacht, Hermes."


Kino legte sich hin. Kurz danach wurden Kino's Atemzüge langsam und gleichmäßig.


=[edit]

Die Nacht in der Geisterstadt ging still vorüber.


Nur ab und zu, da hörte man jemanden murmeln:


"Langweilig..."


=[edit]

Der nächste Tag...


Kino wachte mit dem Sonnenaufgang auf. Die unmittelbare Umgebung war in Nebel gekleidet.


Kino wärmte sich mit einigen Sportübungen auf, dann folgte Inspektion und Reinigung der Waffen, dann Training. Danach, Frühstück, dasselbe wie in der vorherigen Nacht.


Als die Sonne zu sehen und der Nebel verschwunden war, war es Zeit, Hermes zu wecken.


Was vom Lagerfeuer übrig geblieben war, war mehr oder weniger verschwunden. Nachdem alles Gepäck wieder aufgeladen war, ließen sie die Kreuzung hinter sich.


Kino und Hermes verbrachten die Hälfte des Tages damit Orte zu erkunden, an denen sie noch nicht gewesen waren. Wie am Tag zuvor sahen sie Niemanden. Kein Zeichen, dass hier Menschen lebten.


Dann kam Mittag, und als sie gerade ihrer Suche müde geworden waren, erreichten Kino und Hermes einen großen Park.


Wege aus weißem Pflasterstein erstreckten sich über eine große Grünfläche. Sie war breit genug, dass es selbst mit einem Motorad etwas gedauert hätte, bis man an die andere Seite käme. Auch hier gab es keine Zeichen, dass irgendjemand den Ort in Stand hielt: Die Bäume und das Gras wuchsen über, der Tümpel war vertrocknet, die Blumen abgestorben.


Kino and Hermes betraten das innnere Areal des Parks und entdeckten dort ein Monument aus weißem Stein.


"Das ist ja fantastisch. So viel Aufwand und bestimmt auch viel Geld. Wirklich Großartig."


Hermes lobte das Monument in vollen Zügen.


Kino and Hermes standen direkt vor dem weißen Marmor. Das Monument war so groß, man konnte sein Ende von ihrer Position aus nicht sehen. Es war wirklich prunkvoll, von rechts nach links, von oben nach unten, überall fein dekoriert.


"Vielleicht war das hier mal ein Palast oder so."


Kino murmelte, und wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Die Sonne stand am höchsten, ihre Strahlen blendend.


"Wahrscheinlich für einen König. Kann aber nicht sagen, wann es gebaut wurde."


"Vielleicht hatten die Bürger dieses Landes irgendwann keine Lust mehr auf ihren König, also haben sie 'nen Park drauß gemacht. Ob es hier wohl 'nen Reiseführer gibt, der uns die echte Geschichte erzählen möchte?"


Hermes bemerkte Kino's Sarkasmus, und murmelte,


"Oh, komm schon. Ich will's ja auch wissen."


=[edit]

Kino erkundete das Gebäude, Hermes neben sich her schiebend.


Innen war der Palast genauso extravagant wie außen. Hallen dekoriert mit Dutzenden von Fenstern aus farbigem Glas, Badezimmer so groß wie Appartments, und Korridore, endlose Korridore.


All dies wäre noch viel beeindruckender gewesen, hätte nicht auf allem eine dicke Staubschicht gelegen.


Nachdem sie alles inspiziert hatten, kamen Kino und Hermes auf eine Terasse, von der sie den ganzen Garten überblicken konnten.


"Jetzt versteh' ich..."


murmelte Hermes, als er sah, was für eine Szene sich dort unter ihnen ausbreitete. Kino sagte nichts, lehnte sich aber vor, über das Terassengeländer, um einen besseren Blick zu bekommen.


Es war ein Friedhof.


Zwischen den Pflanzen des Garten waren einfache Erdhügel, ein jeder markiert mit dünnen Holzbrettern.


Der Garten, dessen Ausmaße sie von Unten nur hatten erahnen können, war buchstäblich gefüllt mit Gräbern. Tausende, nein, Zehntausende, jedenfalls zu viele, um sie zu zu zählen.


Vielleicht hatte der Garten einst den Adligen als Jagdgrund gedient, vielleicht hatten sich erschöpfte Bürger hier entspannen können, es stand nirgendwo eine Erklärung. Fakt war, nun war es eine Grabstätte.


Kino atmete lang aus, und stand noch etwas länger da, um die Landschaft zu betrachten.


Die späte Sommersonne befand sich bereits auf ihrem Weg nach unten, nahm der Stadt nach und nach ihr Licht und ihre Wärme. Die Schatten der Gebäude wuchsen, als sänken sie in die Dunkelheit.


"Kino, die meisten Leute, die hier mal gelebt haben, sind wahrscheinlich tot."


"......"


"Die Überlebenen müssen das Land verlasssen haben. Ein Geister... Land."


"...Kann schon sein. Ich frag mich nur, warum?"


"Wer weiß..."


Kino drehte sich um und schaute Hermes an, der an das Geländer der Terasse lehnte.


"Es gibt nichts zu tun, nichts zu sehen, das Land steht leer. Lass uns einfach zum nächsten aufbrechen."


Kino schüttelte leicht den Kopf,


"Nein. Wir bleiben heute Nacht hier, und verlassen das Land morgen früh. Wir sind noch keine drei Tage hier."


Hermes fragte, offenkundig verwirrt,


"Das schon wieder? Diese Regel, dass wir immer drei Tage in einem Land bleiben... bedeutet die irgendwas?"


Kino lächelte, obwohl man dieses kaum als solches erkennen konnte.


"Ein Reisender hat mir vor langer Zeit gesagt... dass drei Tage die perfekte Zeit für einen Besuch sind."


"Oh echt."


Hermes war offenkundig desinteressiert.


Immer noch gegen das Geländer lehnend, drehte Kino sich um, und schaute nochmal auf die Gräber vor ihnen.


=[edit]

Kino und Hermes verbrachten die Nacht in einer Hütte nah des Parks, und erwachten am Morgen des dritten Tages.


Kino's Morgenroutine war die selbe wie immer. Aufwachen mit dem Sonnenaufgang, dann Reinigung der Waffen, dann Training. Dann wusch Kino sich mit einem feuchten Lappen, dann Frühstück. Hermes mit Gepäck beladen, Hermes aufwecken.


Weste über das Shirt, Gürtel um die Hüfte, Revolver im Holster, sicher befestigt.


Kino machte sich auf zum Westtor.


Der Morgen in der Geisterstadt war still und leise, wie in jeder anderen Stadt auch.


Kino fuhr weit über dem Tempolimit, und ließ Hermes' Motordröhnen laut durch die gepflasterten Straßen schallen, nicht besorgt darüber, jemanden zu wecken.


=[edit]

Als die Stadtmauer wieder in Sicht kam, entdeckte Kino einen einzelnen Traktor, der vor dem Tor stand und früher wohl für Landwirtschaft benutzt worden war.


Sein Anhänger war voll mit diversen Früchten und Gemüse. Auf dem Fahrersitz saß ein Mann. Er hatte einen Hut über seine Augen gezogen, trug schmutzbedeckte Klamotten und sah aus wie etwa 30.


"Kino! Da ist jemand! Hier gibt es also doch jemanden!"


Hermes war aufgeregt, als wäre es absurd, hier andere Menschen zu treffen.


Kino and Hermes näherten sich dem Traktor. Der Mann schlief. Wahrscheinlich durch Hermes' Motor aufgeweckt, richtete er sich auf, und schüttelte den Kopf etwas. Er öffnete seine Augen. Dann sah er Kino.


Kino würgte Hermes' Motor ab. Plötzlich war es still.


"Es tut mir leid sie aufgeweckt zu haben, aber... Guten Morgen." "Ja, hi."


Kino and Hermes begrüßten den Mann.


"Na sowas, was für eine Überaschung."


Die Augen des Mannes öffneten sich soweit sie konnten. Alle Müdigkeit war ihm vergangen, er war plötzlich wach.


"Ah--! Sag mal, seid ihr etwa Besucher? Eine Sekunde!"


Der Mann sprang aus dem Traktor, stolperte fast, und näherte sich Kino.


"Hey, guten Tag! Ich bin Bürger dieses Landes. Der einzige. Ich freue mich ja so, euch zu treffen!"


Kino's Gesichtsausdruck zeigte gemischte Gefühle aufgrund dieser übermäßigen Begrüßung. Unter anderem auch, da sie zwei Tage zu spät kam.


Hermes fragte,


"Haben sie gesagt, sie sind der einzige Bewohner, Mister? Was zum Geier ist hier passiert?"


Der Mann hörte diese Worte, und brach in Tränen aus. Sein Gesicht war weder fröhlich, noch traurig. Er fragte Kino und Hermes,


"Fahrt ihr bald wieder? Habt ihr ein bisschen Zeit?"


"Wir haben Zeit, solange es nicht bis morgen dauert."


Als er das hörte, fing der Mann verzweifelt an zu betteln,


"D-- dann! Dann will ich – dann will ich euch erzählen, was hier passiert ist! Ihr werdet mir zuhören, oder? Bitte! Ich flehe euch an!"


Kino schaute zu Hermes, dann zurück zu dem Mann, lächelte, und sagte,


"Ja, ich würde gerne zuhören. Wir wollen wissen, was hier passiert ist."


=[edit]

Vor dem Tor, im ersten Stock der Allee, in einem Gebäude, das früher mal ein Open-Air Cafe gewesen zu sein schien, stapelten sich Tische und Stühle aufeinander.


Der Mann zog die Markise aus und stellte zwei Stühle und einen Tisch auf den Bürgersteig. Er bedeutete Kino, sich zu setzen.


Dann setzte er sich, stützte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Händer unter seinem Kinn.


"Also, wo soll ich anfangen... Ich glaub mit dem Ende der Monarchie wäre gut. Die Revolution."


"Also gab es hier doch eine Monarchie?"


Kino fragte, und der Mann nickte.


"Genau. Bis vor 10 Jahren noch."


"Und dann kam die Revolution. So, wie wir's uns gedacht haben, Kino."


"Sieht so aus, als wäret ihr schon im Park gewesen. Dann habt ihr sie schon gesehen, oder?"


Sowohl das Gesicht und die Stimme des Mannes schien finsterer zu werden.


"Ja, haben wir. Wir haben sie von selbst entdeckt."


Hermes antwortet, und man konnte eine Spur Sarkasmus in seiner Stimme ausmachen.


"Ok, das ist gut. Das macht die Geschichte einfacher zu erzählen."


"Also, das sind die Gräber von den Bewohnern dieses Landes?"


Der Mann nickte mehrmals.


"Ja...Aber...Sowas war nicht zu verhindern. Wir mussten es tun..."


"War es ein Epidemie oder so etwas? Eine Krankheit?",


fragte Kino. Das Gesicht des Mannes wurde erneut finster, traurig. Er sagte,


"Nein, keine Krankheit. Nur eine Person ist auf diese Weise gestorben... aber lasst mich von vorne beginnen."


=[edit]

"Früher, da war dieses Land eine Monarchie, und hatte einen König. Dieser König, der hat über alles wichtige entschieden. Ein Mann. Wir hatten viele Könige, und einige waren sehr gut, weise, und von allen Menschen geliebt. Aber das waren nur wenige unter vielen. Der letzt König vor der Revolution war der schlimmste. Vor 14 Jahren bestieg er den Thron. Vielleicht lag es daran, dass er so lange Kronprinz gewesen war, jedenfalls, von dem Moment an, von dem er gerönt wurde, tat er nur, was im gefiel. Ohne Rücksicht auf irgendjemand anderen. Es war sowieso eine schwierige Zeit, wir hatten viele Probleme aufgrund von Missernten, aber ihm, ihm war das alles egal. Drei Jahre hintereinander hatten wir Dürre, die meisten Leute waren am verhungern, aber diesen Bastard hätte das nicht weniger interessieren können. Wahrscheinlich wusste er nicht einmal, was Verhungern ist."


"Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen."


Der Mann lächelte über Hermes' Bemerkung,


"Guter Satz. Fasst die Situation ziemlich gut zusammen."


Hermes bedankte sich.


"Dann, vor etwa elf Jahren, da wurde unser Leben so schwierig, dass sich eine Gruppe Farmer dazu entschloss den König darum anzuflehen, doch bitte ihre Steuern zu senken.

Er brachte sie alle um. 

Wir waren außer uns vor Wut. Solches Verhalten konnten wir nicht länger tolerieren. Unsere einzige Option war, die Monarchie abzuschaffen. Und so bereiteten wir uns auf die Revolution vor. Zu diesem Zeitpunkt war ich an der Universität, um Literatur zu studieren. Im Vergleich zu anderen ging es meiner Familie relativ gut, und doch fühlte ich den Schmerz der Armen. Deshalb war ich relativ früh mit dabei."


"Mm-hmm."


"Was wäre passiert, wenn ihr erwischt worden wärt?"


Als Antwort wurde das Gesicht des Mannes erneut finster.


"Todesstrafe, natürlich.

Mehrere von meinen Freunden wurden festgenommen und exekutiert. 

Wisst ihr, wie man Menschen in diesem Land traditionell exekutiert hat? Sie fesseln dir die Arme und die Beine, und hängen dich kopfüber auf. Dann lassen sie dich fallen, Kopf vorraus, mitten auf die Straße. Deine Familie wurde auch exekutiert. Immer und immer wie hab ich's gesehen, die öffentliche Hinrichtung mitten auf der Kreuzung. Zuerst sind die Familien von deinen Freunden dran. Dann Eltern, Ehefrauen und Männer, Kinder, einer nach dem anderen. Manchmal entdecken dich deine Freunde in der Zuschauermenge, bevor sie die Augenbinde umbekommen. Es fühlt sich an, als wäre man plötzlich nicht mehr von ihnen verbunden, und im nächsten Moment hört man ihr Genick brechen und sieht ihre Schädel aufplatzen."


"......"


"Dann, eines Frühlingsmorgens, kam dann endlich der Aufstand. Zuerst griffen wir die Waffenkammer der Wachen an. Das mussten wir tun, denn einfachen Bürgern war es verboten, Waffen zu besitzen. Logisch, natürlich, denn je schlechter ein Herrscher ist, umso mehr Angst muss er vor einer Bevölkerung haben, die sich wehren kann. Wie auch immer, wir hatten Erfolg, erbeuteten Waffen und Munition. Einige Wachen liefen sogar zu unserer Seite über. Der nächste Schritt wäre gewesen, den Palast zu stürmen und den König zu verhaften. Aber dazu kam es nicht."


Als der Mann an diese Stelle kam, machte sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht bemerkbar.


"Nicht? Warum? Hat's angefangen zu regnen?"


Hermes war überrascht.


"...Hier geht es nicht darum, die Wäsche rauszuhängen, Hermes."


Kino drehte sich wieder zu dem Mann,


"Es war gar nicht nötig oder? Der König war geflohen, nicht wahr?"


Der Mann hob den Zeigefinger und lachte zu ersten Mal,


"Korrekt. So war es."


"Woher wusstest du das, Kino?"


"Der Palast war nirgendwo beschädigt."


"Aha...", murmelte Hermes.


"Der König und seine Familie-- beziehungsweise, der König, seine Familie, und seine Reichtümer waren bereits fort und hatten vor, aus dem Land zu fliehen. Sie wurden aber relativ schnell gefunden. Wenig überraschend, sie hatten sich in einem offenen Wagen versteckt, und all das Gold und die Juwelen glitzerten und zogen Aufmerksamkeit auf sich. Natürlich wirkt das verdächtig. Und so erreichten wir eine Revolution so gut wie ohne Opfer."


"Das ist unglaublich. Und dann? Was ist als nächstes passiert?",


fragte Hermes, drängte den Mann, weiterzusprechen.


"Danach haben wir unser Land und unsere Regierung komplett umstrukturiert. Es war unser Weg in die Zukunft. Die Entscheidungen würden nicht mehr nur von einem Mann gemacht werden, sondern von allen diskutiert und dann entschieden. "Nie mehr sollte eine einzelne Person so viel Macht haben. Das Land gehört allen." Wenn jemand eine Idee hatte, dann wurde diese Idee Allen bekanntgegeben. Danach wurde untersucht, wie viele diese Idee gutfinden. Fand sich eine Mehrheit, haben wir die Idee umgesetzt. Das Erste, was wir entschieden haben, war, was mir mit dem Köng anstellen sollten."

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"Was war das Urteil?",


fragte Kino. Die Augen des Mannes wurden schmaler,


"Die Ergebnisse der Abstimmung waren 98% für die Hinrichtung. Der König, seine Loyalisten, und ihre Familien."


"Hab ich's mir doch gedacht...",


murmelte Hermes.


"Die Familie des Königs wurde aufgehängt und fallen gelassen. Wir dachten, dass die Zeit von Anst und Verzweiflung endlich vorrüber sei... Danach hatten wir viel zu tun. Wir alle waren uns bei vielen Sachen einig. Zuerst, eine Verfassung. Der erste Artikel legte fest, dass das Land allen gehörte, und alle Gesetze von der Mehrheit entschieden würden. Dann, Steuern. Polizei. Armee, Entschuldigung, Verteidigung. Gerichte. Am meisten Spaß gemacht hat mir, über das Bildungssystem zu entscheiden. Zu überlegen, was man der Zukunft dieses Landes mitgeben sollte... Ah, gute Zeiten."


Der Mann schloss seine Augen. Er nickte mehrere Male, öffnete seine Augen wieder und sah Kino an.


Kino lehnte sich leicht vorwärts.


"Was ist dann passiert?"


Der Mann öffnete seine Feldflasche und nahm mehrere Schlucke. Dann atmete er lang aus.


"Ne Zeit lang lief alles ganz gut... bis dann eines Tages Leute auftauchten, die etwas wirklich Lächerliches forderten. Die Forderung ging ungefähr so: "Es dauert zu lange, jeden über alles abstimmen zu lassen. Wir wäre es, wenn wir einen Präsidenten wählen, der oder die dass Land dann für mehrere Jahre regieren darf?"


"Dieser Vorschlag... wurde er angenommen?"


"Als ob! Das wäre verrückt, Wahnsinn, Punkt, aus. Was wäre passiert, wenn dieser Führer, dieser, "Präsident", den wir wählen würden, auch verrückt wäre? Wenn wir alle Macht zu einer Person geben, wer würde sie stoppen? Die, die das vorgeschlagen haben, wollten wahrscheinlich die Monarchie und den König zurückbringen, der sie dann für ihre Hilfe belohnen würde. Eine widerwärtige Idee. Natürlich wurde sie von der Mehrheit abgelehnt."


"Aha..."


"Wir kamen außerdem zu der Entscheidung, dass das selbst die Existenz solch verräterischer Gedanken eine Gefahr für die Zukunft unseres Landes darstellt. Alle wurden des Verrates angeklagt."


Kino schaute zu Hermes, und fragte dann den Mann,


"Wie hat das geendet?"


"Die Mehrheit bestimmte, dass sie schuldig waren."


"Und?",


fragte Hermes.


"Die Todesstrafe. Tod für sie alle."


"...Auf die traditionelle Art, aufgehängt und fallengelassen, und ihre Familie auch?"


Der Mann antwortete,


"Oh, ja. Ein passendes Ende für die Feinde unserer Nation."


Der Mann spie diese Worte förmlich aus. Kurz danach jedoch, da sah er plötzlich sehr einsam aus. Er fuhr fort,


"Wirklich ungeschickt war, dass wir immer wieder neue Verräter entdeckten. Einmal, da kam der Vorschlag, die Todesstrafe abzuschaffen. Unfassbar. Wenn wir die Todesstrafe abschaffen würden, hätten wir keine Möglichkeit, Verräter loszuwerden, und wer weiß wohin das geführt hätte. Die, die das gefordert hatten, wurden des Verrates schuldig befunden. Also bekamen sie alle die Todesstrafe. Dann, ein andernmal, da gab es eine Gruppe, die gegen das neue Steuersystem waren. Sie behaupteten, ihre Steuern wären zu hoch, und weigerten sich, sie zu bezahlen. Sie weigerten sich einzuhalten, was wir demokratisch entschieden hatten. Was für eine Arroganz, und welcher Egoismus, sich nur um sich selbst zu kümmern. Das konnten wir natürlich nicht durchgehen lassen. Auch sie bekamen die Todesstrafe."


"......"


"So ein Land zu regieren ist ja echt ganz schön schwierig.",


sagte Hermes. Der Mann hob den Zeigefinder und sagte,


"Da hast du Recht. Aber wenn wir für einen Moment nachließen, hätten wir Fehler gemacht. Wenn wir am Ende mit einem System dastehen, dass nicht zu reparieren ist, ist es zu spät.


"Was ist dann passiert?",


fragte Kino.


"Hm. Wir alle haben unser Bestes gegeben, unser Land großartig zu machen, aber... es tauchten immer überall mehr Verräter auf. Sogar die, die früher an die selben Dinge geglaubt haben wie wir, stellten sich gegen uns, versuchten, dass Land in die falsche Richtung zu führen... Es hat mir wirklich wehgetan, meine alten Kameraden exekutieren zu müssen. Aber dennoch, ich habe mich nie von meinen persönlichen Gefühlen davon ablenken lassen, was getan werden musste. Absolut nie."


"Irgendwann gingen die Gräber aus?"


"Leider ist es genauso, wie du es sagst. Zum Glück hatten wir noch den ehemaligen Palast, den wir in einen Park umgewandelt hatten. Ursprünglich wollten wir ihn zum Anbau von Nahrungsmitteln nutzen, aber stattdessen wurde der hintere Teil des Gartens zu einem Friedhof. Wer dagegen war, wurde hingerichtet."


"Wie viele Hinrichtungen gab es insgesamt?"


Der Mann dachte eine Weile über Kino's Frage nach.


"Wer weiß? Wenn man von der Zeit der Könige rechnet, zu viele, um sie zu zählen."


"Nein, nein. Ich meinte seit es die neue Regierung gab."


"Oh. Dreizehntausend und vierundsechzig.",


antwortete der Mann prompt.


"Um was ging es bei der letzten Abstimmung?"


"Die letzte Wahl... war vor genau einem Jahr. Zu dem Zeitpunkt bestand die Population des Landes aus mir, meiner geliebten Frau, und einem unverheirateten Mann, mit dem ich lange befreundet war. Wir drei wollten das Land wiederaufbauen. Aber dann plötzlich, eines Tages verkündete dieser Mann, dass er vorhätte, das Land zu verlassen. Wir haben versucht, immer und immer wieder, ihn davon zu überzeugen, bei uns zu bleiben. Aber der Bastard änderte seine Meinung einfach nicht. Sein Land zu verlassen-- seine Pflicht abzulehnen-- das konnten wir ihm nicht vergeben. Das Ergebnis der Abstimmung, zwei gegen einen, entschied, dass der Bastard die Todesstrafe erhalten würde."


"Ihre Frau... ist sie noch hier?"


Der Mann reckte seinen Hals in einer langsamen Bewegung.


"Nein, nicht mehr... schon ein halbes Jahr nicht mehr. Eine Erkältung. Sie ist an einer verdammen Erkältung gestorben. Ich bin kein Arzt, ich konnte nichts tun... verdammt... verdammt, verdammt..."


Es dauerte nicht zu lange, da brach der Mann still in Tränen aus.


=[edit]

"Danke, dass sie uns diese Geschichte erzählt haben. Wir verstehen dieses Land jetzt besser."


Kino verbeugte sich in die Richtung des Mannes, der immer noch schluchzte, aber nicht aufsah, und stand auf,


"Hermes, es wird langsam Zeit."


Da hob der Mann den Kopf.


"Ich... Ich bin der einzige, der noch übrig ist. Ich bin so einsam..."


"......"


"Aber trotzdem, um das richtige zu tun, muss man manchmal schwere Hindernisse überwinden. Dieses Land wird seine Schwierigkeiten hinter sich lassen."


Als er seine Tränen getrocknet hatte, machte er Kino und Hermes ein Angebot.


"Ihr Zwei! Wie wäre es, wenn wir zusammen dieses wunderbare Land wiederaufbauen? Was haltet ihr davon?"


Kino and Hermes antworteten fast gleichzeitig.


"Nein, vielen Dank." "Auf keinen Fall."


Einen Moment lang sha der Mann traurig aus, als wäre er erneut verraten worden.


"Ich... verstehe. Wenn ihr das beide so seht, dann kann mal wohl nichts machen. D-- dann..."


Der Mann dachte einen Moment nach, und fragte dann,


"Aber ihr könnt doch sicher noch ein bisschen mit der Abreise warten, oder? Wie wäre es mit einem Jahr? Wie wäre das?"


"Das kommt nicht in Frage." "Da stimm' ich Kino zu."


"Okay, also... bleibt noch eine Woche. Ihr könnt alles in diesem Land benutzen, tun was ihr wollt."


"Ich bin nicht interessiert." "Kein Bedarf."


"Dann... nur drei Tage! Es ist noch genug gutes Essen da! Veranstalten wir ein großes Festessen!"


"Uh-- ...Nein, nein danke." "Wir sollten gehen, bevor Kino es sich noch anders überlegt."


"Wenn ihr in diesem Land bleibt, werd ich euer persönlicher Sklave sein! Eine Weile."


"Das muss ich ablehnen." "Nich' so mein Ding."


Kino startete Hermes' Motor, runzelte die Stirn und hob die Hand.


"Es wird Zeit für uns zu gehen. Tut mir leid, wir haben kein Interesse, egal welches Angebot sie machen. Trotzdem, vielen Dank, dass sie uns ihre Geschichte erzählt haben."


Kino verbeugte sich erneut leicht.


"Nur ein Tag! Bitte, bleibt nur noch einen Tag. Ich kann euch mehr darüber erzählen, wie großartig dieses Land ist. Bitte..."


"Das können wir uns nicht leisten. Wir sind bereits drei Tage hier."


Kino sagte das, und drehte sich zu Hermes um, der sagte,


"Ich versteh's auch net wirklich, aber isses eben. Tut mir echt Leid, Mister."


Der Mann sah so aus als würde er wieder zu weinen anfangen. Es wirkte so, als würde er etwas sagen wollen, doch seinen Lippen bewegten sich nur, ohne einen Ton zu produzieren.


"Los geht's."


Während Kino das sagte und begann auf Hermes aufzusteigen, griff der Mann in seine Tasche, und zog eine Pistole heraus. Ein altmodischer Revolver, der bis zu sechzehn Kugeln halten konnte.


Er zog in zwar raus, aber das war auch alles. Weder zielte er auf Kino, noch hatte er den Zeige- und Mittelfinger am Abzug.


"Aha, jetzt wollen sie uns also drohen?"


Kino drehte nur den Kopf, sah den Mann an, sprach mit ruhiger Stimme, während die Hand leise zum Hüftholster wanderte.


Einen Moment lang sah der Mann die Pistole an. Er hielt sie mit beiden Händen. Dann, als würde es ihn Mühe kosten, schüttelte er mehrmals heftig den Kopf.


"Nein, nein... Ich soll nicht, darf nicht, kann nicht! Wenn ich das tue, bin ich genauso schlimm wie der König und seine Anhänger. Es ist falsch, andere mit Gewalt zu etwas zu zwingen! Es ist falsch! Die Lösung eines Narren! Ich kann nicht! ...Oh ja, alles muss von der Mehrheit entschieden werden. Welchen Weg wir nehmen, muss friedlich von den Massen entschieden werden. Das ist der einzige Weg, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. So ist es doch, oder?"


Teilnahmslos senkte der Mann den Revolver und öffnte die Trommel. Keine Kugel war geladen.


Kino drehte sich um, lächelte, nur leicht, und sagte,


"Sind sie sich sicher, dass sie uns das fragen wollen? Was wäre, wenn Hermes und ich sagen "Das ist falsch. Sie haben Unrecht". Was dann?"


Der Mann ließ den Revolver zu Boden fallen, geschockt über diese Worte. Zum gleichen Zeitpunkt, wie der Revolver den Boden berührte, wurde der Mann bleich, und ihn erschauderte es so schwer, dass man seine Zähne klappern hörte.


Kurz danach schien der Mann all seinen Mut zusammenzunehmen, und begann zu schreien, so laut er konnte,


"G-- Geht weg! L-- l-- Leute wie ihr sollten verschwinden! Los! Geht! Raus aus diesem Land! Und kommt nie wieder!"


"Das weden wir tun." "Alles klar."


Kino stieg auf Hermes auf und startete den Motor.


Der laute Motor brummte.


"Lass uns schnell verschwinden."


flüsterte Kino, und fuhr los.


Während sie fuhren, murmelte Hermes,


"Lebt wohl, eure Majestät."


Der Mann hörte es nicht mehr.


=[edit]

Der Mann sah sie eilig wegfahre, bis er sie nicht mehr sehen konnte. In seiner Hand war der Revolver, jetzt voll geladen, bereit, jederzeit zu schießen.


Und der Mann schrie,


"Ihr Bastarde! Ich schwöre... Wenn ihr je wiederkommt, dann schieße ich! Ich bring euch um!"


Er starrte immer noch in ihre Richtung, obwohl Hermes und Kino längst außer Sicht waren.


Sie kamen nie wieder.


=[edit]

Das Motorad fuhr eine Weile auf dem Pfad, wieder umgeben von Gräsern. Dann stoppte es, Kino nahm die Motoradbrille ab, und sah, was vor ihnen lag. Eine Weggabelung.


Kino stieg ab, zog einen Kompass raus, und bestätigte, dass sie in die richtig richtige Richtung gefahren waren. Ein Weg führte nach West-West-Süd, der andere West-West-Nord. Keiner der bedien Wegen hatte ein sichtbares Ende oder Ziel. Alles, was man außer weitem Grasland sehen konnte, war der Horizont.


"Wo müssen wir lang?",


fragte Hermes. Kino schaute auf die Karte, sie war selbstgemalt und hatte nur die wichtigsten Routen auf ihr markiert, und murmelte erstaunt,


"Merkwürdig... hier sollte nur eine Straße sein."


"Wer hat dir das gesagt?"


"Dieser eine Kaufmann, den wir vor einer Weile getroffen haben. Du weißt schon, der mit den Pandas und Kängerus."


Als er das hörte, sagte Hermes scherzhaft,


"Aha, sieht so aus, als hätte dich jemand veralbert. Das passiert dir aber auch leicht, Kino."


"Nein, die Karte und die Richtungen waren bis jetzt ja genau richtig. Von diesem Land aus nach Westen, sollten wir an einem See mit lila Wasser vorbeikommen, und dann das nächste Land erreichen. Eine dieser Straßen muss zum Ziel führen."


Kino schaute erneut auf die Weggabelung.


"Es wird wohl die rechte sein. Die ist breiter." "Die Linke. Da ist die Erde härter.",


sagten Kino und Hermes beide gleichzeitig.


"......" "......",


...und hörten auf zu sprechen, gleichzeitig.


Einen Moment später sagte Kino,


"Alles klar. Wir nehmen die linke Straße."


"Hah--?"


"Was meinst du, "hah"?"


Hermes antwortete trocken,


"Weil du dich diesmal so schnell entschieden hast. Normalerweise säßen wir hier fest, während du nachdenkst, bist du dann zu viel Hunger bekommst und dich für eine der beiden entscheidest. O der hast du entschieden, deinen Entscheidungsprozess zu beschleunigen, sozusagen... ein neues Buch aufzuschlagen?


"...Ein neues Kapitel"?


"Ja, das."


Hermes schwieg einen Moment, und sagte dann,


"Also?"


"Hrm..." grummelte Kino.


"Naja, wenn wir hierbleiben, dann verbrauchen wir nur wieder Rationen, und Vorräte, und so. Außerdem ist es heut so warm, dass heißt, ich wär lieber in Bewegung. Du nicht, Hermes?"


"Das ist schon richtig, aber... was, wenn wir den falschen Weg auswählen?",


sagte Hermes. Ihm war die Situation nicht ganz geheuer. Kino blickte in die Ferne, Richtung Horizont.


"Ok, also... wenn wir nach 'ner Weile keinen See sehen haben, oder die Straße plötzlich ihre Richtung ändert, dann fahren wir eben zurück. Vielleicht treffen auch jemanden, den wir nach dem Weg fragen können."


"Probieren über studieren. Bin ich dafür. Idee angenommen. Lass uns den linken Weg ausprobieren."

KinoNoTabi-Volume-1-Chapter-2-1.png

Kino stimmte zu, packte die Karte und den Kompass weg, zog die Motoradbrille von der Stirrn runter, und stieg auf.


Kino startete den Motor und fuhr los. Nach rechts.


"Ah? Ahh!! Kino--! Du hast mich ausgetrickst!",


schrie Hermes.


"Stimmt nicht. Ich wollte dich garnicht austricksen. Probieren über studieren, hab ich recht? Dann macht's doch keinen Unterschied, welchen Weg wir zuest probieren, oder?"


"Das ist trotztdem unfair! Das ist immer noch kein Grund, zuerst nach rechts zu fahren!"


Kino ignorierte Hermes berechtige Einwände und gab Gas.